W arum haben Sie sich vor 14 Jahren von der Leinwand verabschiedet und machen - mit Ausnahme für Michael Hanekes Siegerfilm in Cannes, "Amour" - nur noch Theater?

JEAN-LOUIS TRINTIGNANT: Ich habe Kino noch nie besonders geliebt, für mich ist die wahre Arena eines Schauspielers die Bühne. Man dreht Filme aus Eitelkeit und weil es lohnender ist.

Wie anstrengend war die Rückkehr vor die Kamera für Sie?

TRINTIGNANT: Schon sehr, schließlich opfert man dafür zwei Monate seines Lebens. Aber wenn ich alle 14 Jahre zwei Monate opfere, dann geht das schon.

Ist das der Grund, weshalb Sie in Ihrer Karriere immer wieder einmal Pausen eingelegt haben?

TRINTIGNANT: Ich habe einfach neue Dinge ausprobieren wollen. Eine Zeitlang war ich Autorennfahrer, später habe ich als Fotograf bei einer Tageszeitung gearbeitet. Solche Pausen waren mir immer wichtig, weil man als Schauspieler seine Batterien aufladen muss und nicht nur dauernd in andere Rollen schlüpfen soll, sonst verliert man den Bezug zum Leben.

Wie war die Arbeit mit dem Perfektionisten Haneke?

TRINTIGNANT: Er stellt schon sehr hohe Anforderungen. Für die Szene mit der Taube, die nur 30 Sekunden zu sehen ist, haben wir zwei Tage gedreht. Eine Taube macht eben lieber das, was sie will, als das, was sie soll. Aber Haneke hat ganz präzise Vorstellungen, wie Szenen aussehen sollen.

In "Amour" wird ein Ehepaar um die 80 durch den Schlaganfall der Frau aus dem Alltag gerissen, in letzter Konsequenz geht es um Sterbehilfe. Der Tod ist ein heikles Thema, mit welchen Gefühlen haben Sie Ihre Rolle gespielt?

TRINTIGNANT: Das ist ein sehr intensiver Stoff, für mich als 81-Jährigen besonders. Meine Angst ging soweit, dass ich der Produzentin sogar einmal sagte, dass ich den Film nicht mehr machen wollte.

Kannten Sie Emmanuelle Riva, die im Film Ihre Frau spielt, eigentlich schon zuvor?

TRINTIGNANT: Nein, obwohl wir fast gleich alt sind, sind wir uns zuvor noch nie begegnet. Aber natürlich habe ich sie Ende der 60er in "Hiroshima mon amour" bewundert. Wenn man sie auf der Leinwand sieht, hat man immer das Gefühl, dass sie ein bisschen verrückt ist. Von mir hat sie übrigens dasselbe gedacht, aber ein bisschen verrückt sind wir ja alle. Es war ein schöner Zufall und das Talent von Haneke, das uns beide zusammengeführt hat.

Hat Sie der Film zum Nachdenken über das Thema Tod gebracht?

TRINTIGNANT: Darüber habe ich schon vorher oft und lang nachgedacht. Ich habe keine Angst vor dem Tod, nur vor Krankheit.

Wie sieht der Alltag einer Schauspiel-Ikone aus?

TRINTIGNANT: Ich bin sehr gern in der Natur. Ich besitze ein bescheidenes Haus in der Provinz, drei Kilometer vom nächsten Dorf entfernt, und genieße dort die einfachen Dinge. Auf dem Land duftet es wunderbar, nicht nur wenn die Bäume blühen, auch im Winter. Als Weinliebhaber baue ich meinen eigenen Wein an, was sehr zeitaufwendig ist. Zudem höre ich leidenschaftlich gern Musik. Es gibt Tage, an denen ich nur der Musik lausche.

Wie stolz sind Sie eigentlich auf Ihre Karriere?

TRINTIGNANT: Ich hatte das Glück, viel arbeiten zu können. Und im Leben passieren uns Dinge, egal, ob man sie verdient hat oder nicht. Als Schauspieler war ich erfolgreich, vielleicht, weil ich dabei nicht allein die ganze Last trage. Ich habe mich zweimal als Regisseur versucht, aber die Ergebnisse waren nicht besonders gelungen. Und auch als Rennfahrer war ich nicht gut, obwohl mir das so viel Vergnügen bereitete. INTERVIEW: DIETER OSSWALD