Als angeblicher "Bild"-Reporter deckte er die üblen Praktiken des Boulevards auf. Als türkischer Gastarbeiter berichtete er über die katastrophalen Arbeitsbedingungen "Ganz unten". Als Afrikaner maskiert, ging er dem Alltagsrassismus in Deutschland auf den Grund und berichtete als Obdachloser vom harten Leben auf der Straße.

Seit den Siebzigerjahren agiert Günter Wallraff als deutscher Aufdecker der Nation und schlüpft dafür monate-, ja sogar jahrelang in erfundene Identitäten. Zuletzt heuerte er als Callcenter-Mitarbeiter an, um über die Tricks der Telefonvermarkter zu berichten, und enthüllte, als Hilfsarbeiter verkleidet, Ausbeutung und Sicherheitsrisiken in einer deutschen Brotfabrik. In einem Prozess gegen die Betreiber sagt er nun sogar als Zeuge aus.

Heute gibt es einen neuen Wallraff. Das Thema seiner jüngsten Undercover-Recherche ist streng geheim. Es lässt sich spekulieren, welches aktuelle Thema sich der 69-Jährige diesmal vorgenommen hat: Ist er ins Bankenwesen eingetaucht? Hat er als Ein-Euro-Jobber Straßen gekehrt? Nimmt er deutsche Islamisten aufs Korn? Jüngst hat er gemeinsam mit einem Ex-Manager das Innenleben der Diskonterkette Aldi seziert - auch das deuten manche als Indiz für die Stoßrichtung von Wallraffs neuesten Enthüllungen.

Auffällig ist: Wallraff, der seit 2007 mit dem "Zeit Magazin" zusammenarbeitet, hat die aktuelle Reportage auch an RTL verkauft - ein überraschender Schritt des bekannt boulevard- und kommerzkritischen Aufdeckers. Der stand in den letzten Jahren übrigens auch selbst immer wieder in der Kritik: Seine Recherchemethoden wurden dabei ebenso hinterfragt wie angebliche Reflexionsmängel im Umgang mit Rassismus und eine (nicht bewiesene) Nähe zur DDR-Stasi. Erst vor wenigen Tagen machte Wallraff erneut Schlagzeilen, als er dem von einer iranischen Fatwa bedrohten Rapper Shahin Najafi Unterschlupf bot. So hatte er 1989 auch Salman Rushdie geholfen, als dieser nach Veröffentlichung seiner "Satanischen Verse" von Irans Ayatollah Khomeini mit einer Fatwa belegt worden war.