Die "wilden Kerle" brüllen fürchterlich und haben große Krallen, doch der kleine Max hat keine Angst. In Maurice Sendaks Kinderbuch "Wo die wilden Kerle wohnen" ist es ganz einfach, eine Horde furchteinflößender Kreaturen zu besänftigen. Max "zähmte sie mit seinem Zaubertrick: Er starrte in alle ihre gelben Augen, ohne ein einziges Mal zu zwinkern". Sendaks 1963 erschienenes und 2009 auch verfilmtes Meisterwerk um den Buben und die Ungetüme wurde zum Klassiker. Am Dienstag starb der amerikanische Erfolgsautor und Illustrator in Connecticut an den Folgen eines Schlaganfalls. Sendak wurde 83 Jahre alt.

Die Bücher Sendaks finden sich in den Kinderzimmern der ganzen Welt. Die Kleinen lieben seine skurrilen Wesen und vor allem seine Erzählweise, die niemals kindliche Nöte verharmlost. Trotzige kleine Buben werden tagträumend zu Herrschern ganzer Fantasie-Reiche. Sendaks Botschaft an die Kinder: Auch große, angsterregende Schrecken können überwunden werden. Viele Therapeuten benutzten seine Bücher, wenn sie mit verhaltensgestörten Kindern zu tun hatten. Ganze Studien gibt es zu Sendaks Werk.

Der Autor musste aber auch heftige Angriffe einstecken. Oft wurde die Eigenwilligkeit seiner Figuren als Aufforderung zur Aufmüpfigkeit kritisiert, Verfechter autoritärer Erziehungsmodelle fanden Sendaks Geschichten weniger lustig.

Vorbild für die Monster

Die lebhafte Fantasie des Künstlers nährte sich aus tiefen Abgründen. Sendak wurde 1928 in New York geboren und wuchs als jüngstes von drei Kindern polnisch-jüdischer Immigranten in Brooklyn auf. Seine europäische Familie kam in Hitlers Konzentrationslagern um. Die Erzählungen der Eltern und Verwandten über die Zeit in Polen und Kindheitserlebnisse prägten ihn. Vorbild für die "Wilden Kerle" seien seine Onkel und Tanten gewesen, hatte er einmal verraten.

Kränklich und schwächlich war Sendak als Kind, ein schlechter Schüler in allen Fächern - nur nicht im Zeichnen. Er bildete sich selbst weiter, seine einzige formale Ausbildung zum Künstler bestand in Abendkursen, tagsüber arbeitete er als Schaufensterdekorateur. In der zweiten Hälfte seines Lebens schuf er nicht nur Kinderbücher, sondern gestaltete auch Bühnenbilder.

Der mit vielen Literaturpreisen geehrte Sendak liebte Kinder, ist aber nie Vater geworden. Seinen Lebensabend verbrachte der mehrfach ausgezeichnete Illustrator mit seinen Hunden in Connecticut. Wie die "New York Times" berichtete, bekam er auch im hohen Alter noch Briefe von jungen Fans, die ihm schrieben, wie sehr sie seine Bücher lieben. Manche wollten sogar wissen, wie sie in die Welt der "wilden Kerle" gelangen könnten. "Wenn es nicht zu teuer ist, würden meine Schwester und ich gerne dort den Sommer verbringen", hieß es laut der "Times" in einem Kinderbrief.

Sendaks letztes Kinderbuch, "Bumble Ardy", soll demnächst auf Deutsch bei Diogenes erscheinen. Das teilte der Verlag (Zürich) am Dienstag mit.