Seit gestern Nacht darf sich Edvard Munchs Bild "Der Schrei" das "teuerste bei einer Auktion versteigerte Kunstwerk" nennen. Bei Sotheby's in New York wurde eine von insgesamt vier Varianten des Motivs für knapp 120 Millionen Dollar (rund 91,4 Millionen Euro) versteigert. Bisheriger Rekordhalter: Pablo Picassos "Akt mit grünen Blättern und Büste", der vor zwei Jahren einen Preis von 106,5 Millionen Dollar erzielt hatte.

Über den Käufer, einen Telefonbieter, war zunächst nichts bekannt. Vermutet wird, dass Munchs ikonografisches Werk nach Katar geht. Die Familie des Emirs von Katar, Scheich Hamad bin Chalifa al-Thani, war bereits vor der Auktion als möglicher Bieter genannt worden.

Das Rekord-Gemälde ist, wie gesagt, eine von vier Variationen von "Skrik" (so der Originaltitel), die Munch zwischen 1893 und 1910 malte. Drei Versionen hängen in norwegischen Museen und sind damit praktisch unverkäuflich, zudem gibt es grafische Ausführungen.

Entsetzen

Das jetzt verkaufte Bild aus dem Jahr 1895 ist für viele allerdings das beeindruckendste, weil die schreiende Figur am konturreichsten gezeichnet und zudem der Gegensatz zwischen dem Entsetzen des Schreienden und der Idylle der Umgebung am deutlichsten sei.

Zwei Versionen machten 1994 und 2004 Schlagzeilen, als sie aus der Osloer Nationalgalerie bzw. dem Osloer Munch-Museum entwendet wurden. Beide Bilder wurden sichergestellt.

Verkauft wurde die Rekord-Version vom norwegischen Kaufmann Petter Olsen. Dessen Vater war einst Nachbar von Munch und hatte das Bild vor mehr als 70 Jahren erworben. Olsen will mit dem Erlös ein Munch-Museum in Hvitsten bauen, wo Munch eine Zeit lang lebte und arbeitete, und es im nächsten Jahr zum 150. Geburtstag des Malers eröffnen.

Kritik

Im Vorfeld der Auktion hatten die Nachfahren des jüdischen Kunstsammlers Hugo Simon Kritik geübt. Gegenüber der deutschen Tageszeitung "Die Welt" klagte ein Urenkel des Sammlers, dass sein Vorfahre in der Nazizeit aus Deutschland fliehen und das Bild im Exil aus Not habe verkaufen müssen. Olsens Anwälte hätten angeboten, 250.000 US-Dollar für einen gemeinnützigen Zweck zu spenden, wenn die Simon-Nachfahren der Versteigerung zustimmten: "Wenn sie keine ethischen Bedenken hatten, warum überhaupt das Angebot?"

Positive Reaktionen gab es bei den norwegischen Nachfahren des Malers. "Jetzt ist er endlich zu einem der ganz großen Künstlernamen in der Welt geworden", sagte Elisabeth Munch-Ellingsen als Sprecherin der Erbengemeinschaft. Man hoffe, dass Norwegen das Munch-Erbe besser verwalte.

Norwegische Medien verwiesen in Kommentaren auf den anhaltenden Streit um den Neubau eines Munch-Museums in Oslo. Das bisherige Museum gilt als veraltet. Die schon gefällte Entscheidung für einen Neubau wurde vom Osloer Stadtrat im letzten Jahr wieder rückgängig gemacht.

Dass mit dem aktuellen Rekord das Ende der Fahnenstange bei den Preisen für Kunst erreicht sei, glaubt zumindest der Chef des deutschen Auktionshauses Ketterer Kunst, Robert Ketterer, nicht. "Geld ist in Hülle und Fülle da. Es gibt Kunden, die wissen gar nicht, wohin mit ihrem Geld." Für diese seien oftmals Kunstwerke "das Statussymbol überhaupt". Sollte Munchs "Schrei" in ein, zwei Jahrzehnten wieder auf den Markt kommen, könnte er wahrscheinlich "das Doppelte oder sogar Dreifache erzielen".

Im Vergleich mit dem Rekordpreis fallen die Ergebnisse der 75 weiteren Werke bei der New Yorker Versteigerung ziemlich ab. Der zweite Höhepunkt der Auktion, Pablo Picassos "Frau auf Stuhl" (Picassos Muse Dora Maar) aus dem Jahr 1941, wechselte für 29,2 Millionen Dollar den Besitzer und blieb damit im Schätzbereich. Salvador Dalís "Printemps Necrophilique" (1936) erreichte 16,3 Millionen Dollar.