Mitte April wird rund um den Erdball in Kongressen und Kolloquien des 70. Todestages von Robert Musil gedacht werden. Der Dichter, der am 15. April 1942 völlig verarmt in Genf verstarb, ist inzwischen eine unerreichbare Kultfigur, sein "Mann ohne Eigenschaften" ein Mythos geworden, Inbegriff des modernen Romans. Ziemlich vergessen jedoch scheint das Leben jenes Mannes zu sein, der in Kärnten Musils Ruhm mühsam aufgebaut hat - Karl Dinklage.

Grundstein

Der vielseitige Historiker, der während des 2. Weltkriegs als Forscher an das anrüchige Kranzmayer'sche Eindeutschungsinstitut nach Kärnten kam (in den "deutschen Süden") und nach dem Ende des Nazi-Regimes hier blieb, hat sich in den 50er Jahren im Auftrag der Landespolitik auf Spurensuche nach dem "angeblich berühmtesten Romanschriftstellers" des 20. Jahrhunderts begeben. Er entdeckte Musils verwahrlostes Geburtshaus in der Bahnhofstraße ("Samekhaus"), verhinderte dessen endgültigen Verfall bzw. Abriss und schuf innerhalb von zwei Jahrzehnten die Voraussetzungen dafür, was es heute ist - eine Zentrale der Musil-Forschung und Literaturbegegnung.

Doch das war längst nicht alles. Mit der Renovierung des Hauses ging die Suche nach Musils Nachlass einher. Karl Dinklage reiste nach Rom zu Musils Stiefsohn Gaetano Marcovaldi, sichtete in langwieriger Arbeit den persönlichen Nachlass der Eheleute Musil und gewann ihn für Klagenfurt. Martha und Robert Musils persönliches Gut, alles, was die Witwe ihrem Sohn übergeben hatte, Dokumente, Bücher, Kleider, Schreibutensilien und andere Habseligkeiten, konnte Dinklage seinem frisch gegründeten Institut einverleiben, bis auf den literarischen Nachlass, der - teils handschriftlich, teils auf der Underwood-Scheibmaschine getippt, die sich im Klagenfurter Museum befindet - nach Wien an die Nationalbibliothek ging.

Dazu nahm Karl Dinklage schon sehr früh Kontakt zu Musil-Forschern wie Ernst Kaiser und Eithne Wilkins sowie zu vielen, zum Großteil emigrierten Freunden des Autors auf und publizierte in seiner "Vereinigung Robert-Musil-Archiv" zwei epochale Musil-Bände: "Leben, Werk, Wirkung", zum 80. Geburtstag Musils bei Rowohlt erschienen, sowie "Studien zu seinem Werk", Rowohlt 1970. Im Jahre 1971, von Bruno Kreisky tatkräftig unterstützt, begründete er die "Musil-Studien" (Fink-Verlag), von denen bis heute 40 Bände erschienen sind. In dutzenden Ausstellungen bereiste der schwergewichtige, gleichwohl enthusiastische und humorvolle "Mann mit den Koffern" die halbe Welt, um Musils Werk zu verkünden - von Tokyo bis zur Côte d'Ivoir, von Berlin bis Rom. Seine Kataloge und Almanache bewahrten wichtige Erinnerungsstücke zur Person des Dichters vor dem Vergessen. Otto Rosenthal (Musils Schwiegersohn), Otto Pächt, Martin Flinker, Hans Mayer, Adolf Frisé, Karl Otten, Robert Lejeune, Soma Morgenstern, Ignazio Silone, Piero Rismondo, alle folgten seiner Einladung und berichteten über das Leben des großen österreichischen Romanciers. Dinklages Sammeltätigkeit wurde damit zum Quellpunkt von Karl Corinos großen Musil-Bildbände und -Biographien wie auch für die Musil-Monographie Roger Willemsens (Serie Piper Porträt 5208, 1985).

An den Musil-Sommerseminaren, die seit 1982 in Klagenfurt stattfanden, arbeitete er unermüdlich mit. Im August 1987 verstarb der gebürtige Dresdner im Alter von 80 Jahren in Klagenfurt. Sein Lebenswerk war die Musil-Forschung, das beweisen auch neue und neueste Studien zu Robert Musil, die sich auf seine Arbeiten stützen.

Dass daneben noch etliche große Bücher über die Khevenhüller-Chronik, die Kärntner Landwirtschaft, die Geschichte der Arbeiterschaft oder der Kärntner Gewerblichen Wirtschaft aus seiner Feder flossen, ist heute nur mehr Fachleuten bekannt. In der Musil-Forschung ist Karl Dinklages Platz unbestritten.