Selbstfahrende Autos gelten als große Zukunftshoffnung der Industrie, erste Tests laufen in vielen Ländern. Vor einer flächendeckenden Einführung braucht man aber noch präzise Straßenkarten, eine bessere Abwehr von Hackern und eine Klärung der Haftungsfragen, erläutert eine am Dienstag veröffentlichte und gemeinsam mit dem World Economic Forum erstellte Studie von Boston Consulting Group (BCG).

Digitale Straßenkarten haben heutzutage eine Genauigkeit von zehn Metern, was für Anleitungen an Menschen reicht. Aber autonome Autos brauchen Karten, die auf zehn Zentimeter genau sind - und in denen die Lage jeder Ampel vermerkt ist. In Deutschland, Japan, Südkorea und den USA gibt es 8,5 Mio. Kilometer Straße und Ende 2014 waren erst einige tausend km mit so genauen Karten erfasst.

BCG sieht die Kosten der Datenerfassung dabei nicht als den großen Engpass, in den USA wären sie bei 4,3 Mio. km "klein im Verhältnis zu den gesamten Forschungs- und Entwicklungskosten". Aber die Karten müssten außerdem laufend aktualisiert werden. Wenn eine neue Baustelle nicht erfasst oder die Routenführung geändert wurde, könnten sonst selbstfahrende Fahrzeuge nicht mehr weiterfahren.

Leichtes Spiel für Hacker

Kopfzerbrechen bereitet die IT-Sicherheit. Zahlreiche Versuche haben gezeigt, dass derzeit produzierte Fahrzeuge relativ leicht von Hackern geknackt werden können. Das liegt unter anderem daran, dass die gesamte Fahrzeugelektronik in einer zentralen Steuerung (CAN) zusammengefasst ist. Welches System des Autos man auch knackt, von dort führt der Weg dann direkt zur gesamten Elektronik.

Da es unmöglich sei, die Gefährdung ganz auszuschalten, sollte man sich darauf konzentrieren, die Risiken zu managen, empfiehlt die BCG-Studie. Man könnte etwa eine Clearing-Stelle einrichten, bei der die Autofirmen "Informanten" bezahlen, die auf Schwachstellen hinweisen. Ähnlich operierten derzeit IT-Firmen wie Facebook.

Wiener Konvention

Regional unterschiedlich sind Rechtsfragen und Haftungsprobleme. In Europa und teilen Südamerikas, Asiens und Afrikas gilt die Wiener Straßenverkehrskonvention von 1968, die vorschreibt, dass jederzeit ein Mensch die Kontrolle über das Fahrzeug haben muss. Allerdings ist eine Überarbeitung initiiert, wonach es künftig reicht, wenn Menschen automatische Systeme ausschalten und die Kontrolle übernehmen können. In den USA gelten keine solchen Regeln, hier sind selbstfahrende Fahrzeuge grundsätzlich zulässig.

Dafür haben die USA noch viel größere Haftungsfragen offen. Während in Europa bereits jetzt alle Fahrer haftpflichtversichert sind und damit ihr Risiko abgedeckt haben, sind in den USA im Ernstfall riesige Beträge fällig. Die Überlegungen gehen dahin, die Hersteller haftbar zu machen. Dann müsste ein Risikoprofil wie bei einem "vernünftigen Autofahrer" als Maßstab dienen, um Zahlungen auszulösen. Hier sind aber noch viele Fragen offen.

BCG lässt in der Studie keine Zweifel daran aufkommen, dass aus ihrer Sicht die Vorteile die Nachteile von selbstfahrenden Fahrzeugen übertreffen. Bereits eine Studie vom Jahresanfang hatte ergeben, dass alleine in den USA 30.000 Todesfälle bei Straßenunfällen vermieden werden könnten. Die Reisezeit würde sich um 40 Prozent verkürzen, vor allem, weil es weniger Stau gäbe, das wären 80 Mio. Stunden Zeitersparnis. Die gesellschaftlichen Vorteile könnten sich auf 1,3 Billionen Dollar (1,17 Billionen Euro) addieren.

Durchbruch bis 2030

Autofahren ohne Hände am Steuer wird nach Prognosen der Industrie in 20 Jahren Alltag auf den Straßen sein. Zwei von drei der vom IT-Branchenverband Bitkom befragten Auto-Manager erwarteten den Durchbruch für selbst fahrende Autos bis 2035, erklärte der Verband am Dienstag. Jeder zweite der 100 Umfrageteilnehmer rechne sogar schon bis 2030 mit einer großen Verbreitung.

Als größtes Hemmnis sehen die Manager aber offene rechtliche Fragen, vor allem zur Haftung bei Unfällen. Bitkom-Präsident Thorsten Dirks forderte deshalb die Deutsche Bundesregierung und die EU-Kommission auf, rasch neue Regeln einzuführen. "Die Branche braucht dringend politische Flankierung, damit die deutsche Autoindustrie Vorreiter und Gewinner der digitalen Transformation wird", betonte er.

Beim autonomen Fahren übernimmt die Software das Lenkrad, das Smartphone wird im Auto integriert. Neben den traditionellen Autobauern hat der US-Internetkonzern Google schon ein fahrerloses Auto entwickelt, auch Apple arbeitet daran. Die Hälfte der befragten Automanager betrachtet die Digitalbranche als starke Konkurrenz. Dennoch gehen zwei Drittel davon aus, dass die deutsche Autoindustrie in zehn Jahren international beim Thema Digitalisierung in der Spitzengruppe liegen wird. Google wird auf der Automesse IAA ab der kommenden Woche seine Ideen zur Mobilität der Zukunft präsentieren.

Skepsis der Autofahrer

Eine Sorge der Industrie ist, ob die Verbraucher bereit sind, sich in die Hände der neuen Technik zu begeben. Knapp die Hälfte der Manager glaube, Autofahrer seien gegenüber Innovationen skeptisch. Ein Aspekt sei die Bereitschaft, Daten des Autos für die Navigation preiszugeben. Bitkom-Präsident Dirks forderte eine breite Diskussion über den Datenschutz. Durch das Bereitstellen der Daten werde der Verkehr sicherer und effizienter. Die Autobranche hofft außerdem auf den Gesetzgeber: So seien 85 Prozent der Befragten für eine gesetzliche Pflicht zur Freigabe von Daten zur digitalen Verkehrslenkung.

Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) stellte in einer Studie den Vorteilen - weniger Staus und Unfälle, mehr Bequemlichkeit - auch Sicherheitsrisiken des computergelenkten Fahrens gegenüber. Allein in diesem Jahr sei es schon zu fünf Hackerangriffen auf die Elektronik in Autos gekommen. "Es ist noch schwer, Cyber-Attacken bei autonomen Fahrzeugen komplett zu verhindern", erklärte BCG-Autoexperte Nikolaus Lang. Die Autoindustrie sollte sich mit IT-Fachleuten in einem Forum zusammenschließen und gemeinsam gezielt Sicherheitslücken aufdecken.