Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Beklagt waren die Novomatic AG, deren Tochter Austrian Gaming Industries GmbH (AGI) sowie Novomatic-Eigentümer Johann Graf. Verurteilt wurde lediglich die AGI, gleichzeitig muss der Kläger der Novomatic AG und Graf die Prozesskosten ersetzen.

Sochowsky hatte vorgebracht, der Spieler habe zwischen 2005 und 2012 im Prater-Casino von Novomatic insgesamt 138.350 Euro verspielt. Hätte Novomatic die Grenzen des - mittlerweile in Wien verbotenen - kleinen Glücksspiels eingehalten, hätte er keinen Anreiz zum Spiel gehabt, so die Argumentation. Der Maximaleinsatz pro Spiel betrug laut Glücksspielgesetz (GSpG) 50 Cent, der höchstmögliche Gewinn 20 Euro.

Der Kläger schoss sich in seiner Klage auf die Konstruktion der Novomatic-Spielgeräte ein: Mit der sogenannten Einsatztaste beim Würfelspiel könne der Einsatz über den Betrag von 50 Cent erhöht werden und durch die "Automatik-Starttaste" werde die Möglichkeit eröffnet, "gesetzwidrige" Serienspiele durchzuführen. Illegal sei auch, dass der Spieler zusätzlich zum Maximalgewinn von 20 Euro "Action Games" gewinnen könne, und auch beim "Gambeln" würden die Einsatz- und Gewinngrenzen verletzt.

Novomatic hatte erwidert, ausschließlich behördlich bewilligte Glücksspielautomaten in genehmigten Betriebsstätten betrieben zu haben. Für sämtliche Spiele existierten Gutachten und Bewilligungen von gerichtlich beeideten Sachverständigen bzw. international akkreditierten Prüfinstituten, so der Konzern. Zur Automatiktaste meinte Novomatic, Automatikstartfunktionen seien zulässig, sofern Beginn und Ende eines Spiels erkennbar seien und die Automatikstartfunktion jederzeit deaktiviert werden könne.

Das Gericht hat sich von den Automaten selbst ein Bild gemacht und einen Lokalaugenschein in der Prater-Spielhalle durchgeführt. Sogar ein Video vom Gambeln wurde angefertigt.

In dem 47-seitigen Urteil geht die Richterin ausführlich auf die Automaten ein. Die Argumente von Novomatic wurden abgeschmettert. Vor allem mit dem von AGI beauftragten Gutachter ging die Richterin hart ins Gericht. So ist etwa in dem Urteil von "realitätsferner Argumentation" die Rede, was Höchsteinsatz und -gewinn betrifft.

"Künstliche Differenzierungen (...) zogen sich durch die gesamte Verantwortung der Beklagten und vermittelten den Eindruck, dass die Beklagten mit Akribie darauf bedacht sind, aus Spieler- bzw. Anwendersicht Offenkundiges 'wegzudiskutieren', indem sie den Fokus auf vermeintlich wesentliche technische Konstruktionen oder theoretische Erwägungen richten, die freilich mit der (einzig wesentlichen) Wahrnehmung durch den Anwender des Spiels nichts zu tun haben", so das Landesgericht Wiener Neustadt in seinem Urteil, das Sochowsky am Dienstag öffentlich machte.

Zur Automatiktaste stellte das Gericht fest, dass "die vorgeschalteten Würfelspiele (...) bei automatischem Spielverlauf nur noch als praktisch ununterbrochenes Rattern und nicht als einzelne Spiele wahrgenommen" würden, so dass beim Spieler der Eindruck entstehe, "er würde eben für jedes (wahrnehmbare) Walzenspiel einen höheren - zumindest 0,50 Euro übersteigenden, Einsatz zahlen." Und: "Die im Kreditfeld angezeigte Summe reduziert sich in Sekundenbruchteilen um Eurobeträge."

Beim Lokalaugenschein des Gerichts dauerte es nur 32 Sekunden, bis bei einem bestimmten Spiel 50 Euro verzockt waren - trotz eines Zwischengewinns von 5 Euro.

Den Einwand, dass die strittigen Apparate verwaltungsbehördlich genehmigt seien, befand das Gericht für "unzutreffend". Da mit den Geräten mehr als 50 Cent pro Spiel eingesetzt und mehr als 20 Euro gewonnen werden könne, handle es sich nicht um Münzgewinnspielapparate gemäß dem Wiener Veranstaltungsgesetz. "Es liegt daher keine verwaltungsbehördliche Genehmigung der verfahrensgegenständlichen Spiele und Spielapparate vor."

Während Sochowsky am Dienstag in einer Mitteilung von einem "bahnbrechenden Urteil" sprach, das, wenn es hält, Novomatic eine "Lawine von Spielerklagen" einbringen könnte, kann Novomatic das Urteil nicht verstehen und kündigte an, in Berufung zu gehen. Es handle sich um eine "vereinzelte Entscheidung", die im Widerspruch zu anderen Entscheidungen desselben Gerichts und auch einem Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) stehe, so Novomatic-Anwalt Peter Zöchbauer zur APA. "Jeder Automat hatte ein Pickerl vom Magistrat Wien und es wurden Steuern gezahlt." Der OGH-Beschluss, mit dem eine außerordentliche Revision eines Klägers u. a. gegen eine Novomatic-Firma zurückgewiesen wurde, bezog sich auf die Steiermark. "Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass Spiele, die auf behördlich bewilligten Geldspielautomaten stattfanden, nicht rechtswidrig seien und der Kläger (...) aus dem verwaltungsbehördlich genehmigten Glücksspiel keine Schadenersatzansprüche ableiten könne, ist zumindest vertretbar", so das Höchstgericht Ende August.