Ein ungarischer Fernfahrer will den Lkw, in dem am Donnerstag im Bezirk Neusiedl im Burgenland 71 tote Flüchtlinge entdeckt wurden, bereits am Mittwochvormittag auf der Ostautobahn (A4) gesehen haben. Auch gab er gegenüber dem Internetportal "Index.hu" an, dass er bei der Pannenbucht auf der Autobahn einen Schlepper gesehen habe.

Um 9.45 davongefahren?

Das berichtete das Portal am Sonntag. Der Fernfahrer hätte sich demnach bei "Index.hu" gemeldet und erklärt, er sei aus Deutschland kommend nach Ungarn unterwegs gewesen, als er bei Parndorf den parkenden Lkw auf der Gegenfahrbahn wahrnahm. Dabei habe er am Mittwoch gegen 9.45 Uhr einen Mann gesehen, der die Hintertür des Lkw zuschlug. Dann sei dieser Mann panikartig zur Beifahrerseite eines vor dem Lkw abgestellten Pkw gelaufen und sei davongefahren.

Als er am Donnerstag von der Tragödie erfuhr, sei ihm klar gewesen, dass er bei seiner Beobachtung jenen Augenblick wahrgenommen habe, in dem der Schlepper bemerkte, dass alle Menschen im Lkw tot waren, sagte der Fernfahrer dem Nachrichtenportal. Am Samstag verhängte das Kreisgericht in Kecskemet Untersuchungshaft über vier festgenommene Verdächtige. Medien berichteten darüber und veröffentlichten Fotos der Männer. Auf einem will der Fernfahrer jenen Mann erkannt haben, der im Burgenland mit dem Auto vom Lkw davongefahren war.

Laut "Index" gab der Fernfahrer zudem an, dass er den Lkw bereits am Mittwoch gegen 9.45 Uhr auf der Ostautobahn entdeckt habe. Zunächst waren die Behörden davon ausgegangen, dass sich der Lkw am Mittwochmorgen noch unmittelbar vor der Grenze in Ungarn befunden habe. Er soll erst in der Nacht auf Donnerstag nach Österreich gefahren sein, hieß es von den burgenländischen Ermittlern.

Die Aussage des Fernfahrers wurden vom ungarischen Landespolizeipräsidium nicht kommentiert. Auf Anfrage der APA hieß es von einer Sprecherin lediglich "kein Kommentar". Das Portal "Index.hu" bezeichnete den Fernfahrer als "vertrauenserweckend", erklärte aber zugleich, seine Aussagen nicht kontrollieren zu können. Ob der Mann seine Wahrnehmungen auch der Polizei gemeldet hatte, blieb vorerst unklar.

In Ungarn ist indes ein fünfter Verdächtiger festgenommen worden. Der bulgarische Staatsbürger sei am Samstagabend festgenommen worden, teilte die ungarische Polizei am Sonntag mit. Gegen ihn werde wegen Menschenschmuggels ermittelt, hieß es. Einzelheiten nannte die Behörde nicht. Bei dem fünften Verdächtigen, der am Samstagabend festgenommen wurde, handelt es sich laut ungarischer Polizei um einen bulgarischen Staatsbürger. Gegen ihn werde wegen Menschenschmuggels ermittelt. Nähere Details wurden von der Behörde zunächst nicht genannt.

Vier Festnahmen am Samstag

Am Samstagnachmittag waren die vier Festgenommenen im Alter von 28, 29, 37 und 50 Jahren - ein afghanischer und drei bulgarische Staatsbürger - in Ungarn angehört worden. Die vier Männer bleiben nun bis 29. September in U-Haft. Das Gericht kam damit der Forderung der Staatsanwaltschaft nach, die auf die "außergewöhnliche Schwere des Verbrechens" verwiesen hatte. Außerdem warf die Anklagebehörde den Männern "geschäftsmäßig" organisierten Menschenhandel und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor.

Am Donnerstag wurden in einem Lkw auf der Ostautobahn (A4) im Bezirk Neusiedl am See die Leichen von 71 Flüchtlingen, darunter vier Kinder, gefunden. Der Kühllaster mit dem Logo eines slowakischen Geflügelhändlers war in Ungarn registriert. Die ungarische Polizei hatte noch am selben Tag vier Verdächtige festgenommen. Über die Männer im Alter von 28, 29, 37 und 50 Jahren - ein afghanischer und drei bulgarische Staatsbürger - verhängte das Kreisgericht in Kecskemet am Samstag Untersuchungshaft. Sie sind nach Einschätzung der Polizei Handlanger eines bulgarisch-ungarischen Schlepperrings.