Es klingt ein bisschen nach Science-Fiction: In Wien wird bald eine U-Bahn-Linie komplett ohne Fahrer unterwegs sein. Die U5 bzw. ihr erstes Teilstück geht ab 2023 in Betrieb und wird von Beginn an vollautomatisch gesteuert. Die Stadt verspricht sich davon dichtere Intervalle, mehr Sicherheit und höhere Flexibilität. Personal soll aber keines abgebaut werden, wurde versprochen.

"Die U5 bietet uns die einmalige Chance, das automatisierte System einzusetzen", erklärte Wiener-Linien-Geschäftsführer Günter Steinbauer am Dienstag in einer Pressekonferenz. Denn die vorerst fünf Stationen umfassende Strecke zwischen Karlsplatz und Altem AKH sei sehr überschaubar und insofern eine optimale Premierentrasse. Da die U5 bis Rathaus auf der jetzigen U2-Route fahren wird, müssen diese Haltestellen hochgerüstet werden. Der Neubauabschnitt wird freilich gleich für das moderne System errichtet.

Neu für die Fahrgäste werden aber nicht nur chauffeurlose Züge sein, sondern auch die gläsernen Wände, die in den Stationen eingebaut werden. Sie trennen Bahnsteig und Gleisbereich und sind mit speziellen Sicherheitstüren versehen, die sich nur dann öffnen, wenn eine U-Bahn eingefahren ist - also zum Ein- und Aussteigen. Dadurch ist ein Sturz in den Schienenschacht nicht mehr möglich. Gesteuert werden die Garnituren, die stets Daten über Standort, Geschwindigkeit und Abstand zum nächsten Zug senden, über die Wiener-Linien-Leitstelle in Erdberg.

45 neue U-Bahn-Züge

Insgesamt werden die Öffi-Betriebe bis zu 45 neue U-Bahn-Züge bestellen. Die internationale Ausschreibung startet demnächst, der Zuschlag soll Ende 2016 erfolgen. Mit den ersten ausgelieferten Modellen will man bereits 2018 oder 2019 Probefahrten durchführen - dann allerdings noch mit Fahrer. Die Neo-Züge, die wieder durchgängig begehbar und klimatisiert sein und zusätzlich mit WLAN ausgestattet werden sollen, werden sowieso mit Fahrerstand geordert, da sie auch auf anderen Linien ihren Dienst versehen werden. Die Kosten liegen insgesamt nur um ein bis zwei Prozent über herkömmlichen Systemen, verwies Steinbauer auf die inzwischen serienreife Technik.

Dank Steuerung wie von Geisterhand sind engere Intervalle (bis eineinhalb statt zweieinhalb Minuten), genauere Takte und flexiblere Anpassungen bei Großevents möglich, wurde versichert. Die große Revolution ist die fahrerlose U-Bahn aus Sicht der Wiener Linien aber nicht: "Unsere Züge fahren schon jetzt fast automatisch." Die Fahrer sind derzeit hauptsächlich mit der Abfertigung des Zuges beschäftigt - mit Ausnahme der U6, für die ein eigenes System gilt.

Vor der großen Kündigungswelle durch freiwerdende U-Bahn-Lenker muss sich bei den Wiener Linien aber niemand fürchten - so zumindest das Versprechen der zuständigen Stadträtin Renate Brauner (SPÖ). Vielmehr soll es Umschulungen geben und dadurch der Pool des Serviceteams vergrößert werden, um bei Störungen oder besonderen Ereignissen zu informieren.

Kritik aufgrund von Arbeitslosen-Zahlen

Roman Hebenstreit, Vorsitzender des Fachbereichs Eisenbahn in der Gewerkschaft vida, ist dieses Bekenntnis offenbar nicht genug. "Ich halte eine solche Innovation in Zeiten von 400.000 Arbeitslosen im Land für schwerst entbehrlich", richtete er den Genossen im APA-Gespräch aus. Die hauseigene Personalvertretung der Wiener Linien zeigte sich entspannter. Man könne die Entscheidung insofern mittragen, als der Erhalt der Arbeitsplätze zugesichert wurde, ließ Betriebsratschef Michael Bauer die APA wissen.

Erfunden hat Wien die fahrerlose U-Bahn freilich nicht. Laut UITP, dem internationalen Verband für öffentlichen Verkehr, sind inzwischen 48 automatisierte Linien in 32 Städten - die meisten davon in Asien und Europa - unterwegs. Das zeigen die aktuellsten verfügbaren Zahlen, die aus 2013 stammen. Bis 2025 werden sich demnach die ferngesteuerten Schienenkilometer weltweit knapp verdreifachen. Der Wiener-Linien-Geschäftsführer ergänzte, dass inzwischen 80 bis 90 Prozent aller Neubau-U-Bahnen als vollautomatisierte Strecken errichtet werden. Ob in der Bundeshauptstadt mittelfristig auch bereits bestehende Linien auf ein fahrerloses System umgerüstet werden, steht noch nicht fest.