Die Flugzeugkatastrophe in Frankreich mit dem Kopiloten als möglichen Auslöser führt automatisch zur Frage, welche psychischen Hintergründe als mitbeteiligte Ursachen zu finden sein könnten. Die extrem hohe Aggressivität mit dem absichtlichen zum Absturzbringen eines Flugzeuges mit 150 Insassen passt laut dem Wiener Experten Stephan Doering wenig zu einem Suizid infolge von Depressionen.

"Zunächst muss man sagen, dass derzeit alles, was man sagt, Spekulation ist und bleibt", betonte Doering, Leiter der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der MedUni Wien im AKH, Donnerstag am späten Nachmittag gegenüber der APA. Man sollte sich aber eines Faktums rund um die menschliche Psyche bewusst sein: "Es gibt nichts, was es nicht gibt."

"Depressive hat Schuldgefühle"

Die extreme Aggressivität der Tötung der eigenen Person und fast 150 anderer, fremder Menschen spricht laut dem Experten wenig für einen Suizid infolge einer depressiven Erkrankung. "Der Depressive hat an sich schon Schuldgefühle. Für einen schwer depressiven Menschen wäre es ungewöhnlich, so viele andere Menschen mit in den Tod zu reißen." Zwar sei der Suizid eine gegen sich und manchmal auch gegen die nächsten Angehörigen gerichtete Aggression, aber solche Ausmaße wie bei dem Flugzeugunglück derzeit vermutet, wären sehr atypisch.

Doering betonte, dass - so die Abläufe wirklich so gewesen seien, wie die derzeitigen Hypothesen lauten - bei vorliegenden psychischen Störungen eher an ein "psychotisches Krankheitsbild" zu denken sei. Da komme es manchmal zu einem Verlust der Kontrolle über die Realität, zum Beispiel unter dem Einfluss von "Stimmen", die etwas befehlen würden. Eine Schizophrenie sei ein mögliches, aber nur eines von mehreren psychotischen Krankheitsbildern. Eine weitere Möglichkeit wäre auch noch eine schwere Persönlichkeitsstörung.

Nicht auf Knopfdruck

Nicht wirklich zu diesem Bild passt, dass es bisher gut belegte Berichte gibt, wonach sich Pilot und Kopilot der Germanwings-Maschine vor der Tragödie 20 Minuten lang im Cockpit normal unterhalten haben. Psychische Störungen sind nicht "auf Knopfdruck" da oder wieder weg.

Nicht außer Betracht lassen dürfe man bei den bisher bekannten Sachverhalten aber auch eine Möglichkeit, an die man ebenfalls zu denken habe, so Doering: "Das ist die Möglichkeit einer solchen Tat aus einem politischen Motiv." Für politisch motivierte Selbstmordattentäter gelten ganz andere Maßstäge. "Psychopathologisch ist das aber auch", sagte der Wiener Experte.