Der Prozess gegen den pensionierten Präsidenten des Obersten Gerichtshofs (OGH), Johann Rzeszut, hat am Freitag im Wiener Straflandesgericht mit einem Freispruch geendet. Dem ehemaligen Spitzenjuristen war falsche Zeugenaussage vorgeworfen worden. Im Zweifel liege keine "subjektive Tatseite" vor, sagte Richterin Claudia Geiler in ihrer Begründung.

Nicht rechtskräftig

Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab, weshalb der Freispruch vorerst nicht rechtskräftig ist. Rzeszut, dem bis zu drei Jahre Haft gedroht hätten, wollte nach der Verhandlung gegenüber den Medien keine Erklärung abgeben.

Der 73-Jährige hatte sich zu den Vorwürfen "nicht schuldig"verantwortet. Inkriminiert war eine Zeugenaussage Rzeszuts im Verfahren gegen einen Polizisten, den er in seiner Funktion als Mitglied einer vom Innenministerium eingesetzten Evaluierungskommission kennengelernt hatte. Das Gremium sollte allfällige behördliche Versäumnisse bei der Suche nach der im Frühjahr 1998 entführten Natascha Kampusch aufdecken. Der Polizist teilte Rzeszuts kritische Betrachtungsweise, der unter anderem ein Gutachten angezweifelt hatte, das Wolfgang Priklopil als Einzeltäter auswies. Weiters unterstellte Rzeszut dem Entführungsopfer öffentlich, eine Schwangerschaft verheimlicht zu haben, was einige Medien bereitwillig verbreiteten.

Der Polizist marschierte schließlich eines Tages ohne Ermittlungsgrundlage illegal in eine niederösterreichische Volksschule und versuchte, an die DNA eines Mädchens zu gelangen. Er wollte damit Klarheit erlangen, ob es sich bei der Schülerin um die leibliche Tochter Natascha Kampuschs handelt. Gegen den Beamten wurde in weiterer Folge ein Ermittlungsverfahren wegen Amtsmissbrauchs eingeleitet, in dem Rzeszut am 6. März 2012 förmlich als Zeuge vernommen wurde.

Darstellung widerlegt

Unter Wahrheitspflicht gab der Ex-OGH-Präsident an, er habe nach zwei Treffen in einem Kaffeehaus bzw. auf der Straße keinen Kontakt zu dem Polizisten mehr gehabt. Diese Darstellung wurde in weiterer Folge insoweit widerlegt, als die Ergebnisse einer Rufdaten-Rückerfassung ein deutlich anderes Bild ergaben. Demnach hatte Rzeszut am 21. Februar 2012 zwei Mal den Beamten angerufen. Eines der beiden Gespräche dauerte nicht weniger als elf Minuten. Am 22. Februar versuchte Rzeszut zwischen 14.22 und 17.00 Uhr gezählte vier Mal, den Beamten telefonisch zu erreichen. Um 20.08 Uhr schickte er ihm eine SMS, auf die der Beamte eine Minute später mit einem Anruf reagierte, den Rzeszut nicht entgegennahm. Um 20.30 Uhr erhielt der Ex-OGH-Präsident daher eine SMS. Darauf reagierte wiederum Rzeszut am 23. Februar um 9.00 Uhr mit einem Anruf.

Weitere Kontakte über die Mobilfunkgeräte der beiden konnten für den 2. und 4. März 2012 nachgewiesen werden. Am 4. März informierte der Polizist den Spitzenjuristen in Bezug auf den gegen ihn, den Polizisten, gerichteten Amtsmissbrauch-Vorwurf per SMS, er habe "zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass Sie mich angestiftet haben".

Exakt zwei Tage später fand Rzeszuts Zeugenbefragung statt, wo er explizit jegliche Kontakte nach den beiden Treffen ausschloss. Er sei bei seiner Einvernahme "auf die Aktion des Polizisten fokussiert gewesen" und habe sich "in mentaler Fixierung auf dieses Thema" befunden, legte der Höchstrichter im Ruhestand beim ersten Verhandlungstermin dar.

"Mentaler Tunnel"

Er habe "stereotyp immer gesagt, ich hab' damit nix zu tun", insistierte Rzeszut: "Ich hab' einen mentalen Tunnel gehabt." Von daher habe er nicht bewusst etwas verschwiegen oder die Unwahrheit gesagt. Zudem habe es damals "eine Fülle an Telefonaten" gegeben und er könne sich beim besten Willen nicht "an jedes kleine Telefonat erinnern", gab Rzeszut zu bedenken.

Die Richterin glaubte dem Angeklagten diese Verantwortung. Rzeszut wäre auf den in den Medien erhobenen Vorwurf, er habe den Polizisten angestiftet, fokussiert gewesen. Zudem wäre bei den Einvernahmen nicht ganz klar herausgekommen, was dem Juristen vorgeworfen wurde. "Ich glaube im Zweifel, dass Sie vergessen haben, das zu erwähnen", meinte Geiler zu der zweiten SMS. Zudem hätte er auch einen guten Grund gehabt, die Kontakte nicht zu erwähnen, da er wohl als Anstifter da gestanden wäre und ein Verfahren wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch eingeleitet worden wäre. (Zu diesem kam es aber ohnehin und es wurde erst im September 2014 eingestellt. Anm.) Deshalb könnte sich Rzeszut auch auf den Paragrafen 290 (Aussagenotstand berufen), was aber nicht nötig sei, da sie ihm glaube. "Es tut mir leid, und das sage ich sonst nie, was Sie in den vergangenen zwei Jahren über sich ergehen lassen haben müssen", sagte die Richterin.