Nach dem Tod des ehemaligen kasachischen Botschafters Rakhat Aliyevs hat Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) eine unabhängigen Expertengruppe eingerichtet. Diese solle die Ermittlungen zur Untersuchung des Todesfalls begleiten, damit jede Grundlage für Spekulationen ausgeschlossen werden könne, sagte Brandstetter-Sprecherin, Katharina Holzinger, der APA am Freitag.

Mit der Leitung des "Beratungsgremiums", dem "unabhängige und weisungsfreie Experten" angehören sollen, wurde demnach der pensionierte Generalprokurator Ernst Eugen Fabrizy beauftragt. Fabrizy soll nun zwei weitere Experten ins Boot holen. "Selbstverständlich vertraut Minister Brandstetter den Strafverfolgungsbehörden, es geht nur darum jede Grundlage für Spekulationen auszuschließen", betonte Holzinger.

Zuletzt sorgte ein vorläufiges Obduktionsergebnis für weitere Spekulationen in dem Fall. Demnach soll im Blut des am Dienstag in seiner Einzelzelle erhängt gefundenen Aliyev "Spuren von Barbituraten" gefunden worden seien, bestätigte die Staatsanwaltschaft Medienberichte vom Freitag. Barbiturate sind Narkosemittel, aber in Österreich als Medikament fast gänzlich verboten.

Das Ergebnis einer genauen toxikologischen und pharmakologischen Untersuchung soll in einigen Tagen vorliegen. Die Anwälte Aliyevs zweifeln an einem Selbstmord des Ex-Diplomaten.

Betäubungsmittel in Blutprobe

Nach dem Tod des ehemaligen kasachischen Botschafters Rakhat Aliyev (Alijew) gibt es nun Berichte über Betäubungsmittel, die in einer Blutprobe gefunden worden seien. Dies bestätigte ein Aliyew-Anwalt gegenüber Ö1, wie das ORF-Radio am Freitag berichtete.

Die Aliyew-Anwälte Stefan Prochaska und Manfred Ainedter konnten die Berichte gegenüber der APA vorerst nicht bestätigen. Prochaska und Ainedter verwiesen auf die laufenden Untersuchungen.

Laut Ö1 wurden im Blut des Toten bei einer ersten Analyse der Gerichtsmedizin Hinweise auf Barbiturate festgestellt. Diese Substanzklasse ist in Österreich als Medikament fast gänzlich verboten. Dass Aliyew eine derartige Substanz verschrieben wurde - etwa von einem Gefängnisarzt - sei somit praktisch auszuschließen.

Die Staatsanwaltschaft bestätigt den Fund von Betäubungsmittel im Blut von Aliyew. Allerdings handle es sich um einen "Vortest", bei dem "Spuren von Barbituraten" gefunden worden seien, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, am Freitag gegenüber der APA.  Dieses Ergebnis sei nur "vorläufig" und das toxikologische Gutachten müsse abgewartet werden, so Bussek weiter. Das Ergebnis einer genauen toxikologischen und pharmakologischen Untersuchung soll in einigen Tagen vorliegen.

Barbiturate in der Anästhesiologie

Barbiturate, von denen Spuren im Blut des verstorbenen kasachischen Ex-Botschafters Rakhat Aliyev gefunden wurden, werden vor allem in er Anästhesiologie verwendet. Sie wirken dämpfend auf das Nervensystem, schlaffördernd und krampflösend, erläuterte eine Expertin der Apothekerkammer am Freitag der APA. In höheren Dosen gehen sie auf das Atemzentrum und auf den Blutdruck.

Ihre Wirkung setzt sehr schnell ein und hält auch nur sehr kurz an. Daher werden sie vor allem zur Narkoseeinleitung verwendet. Alleine werden sie nur für sehr kurze Eingriffe als Narkosemittel verwendet. In Tablettenform gibt es Barbiturate nur für ein Präparat zur Epilepsiebehandlung.

Eine tödliche Überdosierung ist mit diesem Präparat nur sehr schwer möglich. Ein erwachsener Mensch würde etwa 20 bis 30 Gramm des Wirkstoffs benötigen, was rund 100 Tabletten entsprechen würde. Vor dem Ableben würde ihm dazu übel werden und er müsste erbrechen.

Kein Kommentar vom Justizminister

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) darf "aus berufsrechtlichen Gründen" keine Stellungnahme zum Tod des ehemaligen kasachischen Botschafters Rakhat Aliyev in der Justizanstalt Josefstadt abgeben. Brandstetter war früher Strafverteidiger Aliyevs. Er setze sich aber für eine umfassende Untersuchung dieser Causa ein, teilte seine Sprecherin Katharina Holzinger am Freitag auf APA-Anfrage mit.

Es sei festzuhalten, dass "Brandstetter aus berufsrechtlichen Gründen zu früheren Mandanten keine Äußerungen abgeben kann und darf. Diese Verpflichtung gilt auch jetzt", betonte Holzinger. "Selbstverständlich hat auch für den Bundesminister eine umfassende Untersuchung dieser Causa höchste Priorität."

Die zuständigen Strafverfolgungsbehörden, die Staatsanwaltschaft Wien bzw. Oberstaatsanwaltschaft Wien und die Kriminalpolizei, würden arbeiten und "selbstverständlich alles nach den Grundsätzen der Objektivität lückenlos, transparent und rasch aufklären". Ein allfälliger Untersuchungsausschuss sei ausschließlich Sache des Parlaments.

Brandstetter hatte Aliyev in den beiden Auslieferungsverfahren vertreten, die 2007 und 2011 mit Verweis auf die Menschenrechtslage in der Ex-Sowjetrepublik negativ entschieden wurden. Zwischenzeitlich war Aliyev an einem Gebäude gemeldet, das einer Gesellschaft gehörte, an der Brandstetter beteiligt war. Dies sei für einen Verteidiger "nicht unüblich" und aus "Sicherheitsgründen" erfolgt, so Holzinger.

"Wie kann sich Betäubter aufhängen?"

Brandstetter galt als befangen und betraute deshalb den neu geschaffenen Weisenrat mit der Letztentscheidung über die Erhebung einer Mordanklage gegen Aliyev. Diese wurde Ende 2014 seitens der Staatsanwaltschaft Wien erhoben. Am Dienstag wurde Aliyev in seiner Zelle aufgehängt gefunden. Laut Staatsanwaltschaft wurden bei einem Vortest Spuren von Betäubungsmittel im Blut des Toten gefunden.

"Wie kann sich ein Betäubter aufhängen?", fragte der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz am Freitag in einer Aussendung. Er forderte einen Untersuchungsausschuss. Auch das Team Stronach sah einige Ungereimheiten in dem Fall und brachte eine Anfrage an Brandstetter zu den Sicherheitsstandards ein. BZÖ-Chef Gerald Grosz sah das Justizsystem "in den Grundfesten erschüttert" und forderte die sofortige Einrichtung einer Sonderkommission.