Dem Gericht reichte die Beweislage nicht aus, um den 18-jährigen Burschen im Sinn der Anklage schuldig zu erkennen. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.  Die Anklägerin gab vorerst keine Erklärung ab - offenbar muss bzw. möchte sie noch mit jener Kollegin, die den Strafantrag verfasst hat, bzw. Dienstvorgesetzten Rücksprache halten

Dem Jugendlichen war vorgeworfen worden, am Abend des 27. Jänner 2014 hinter dem Burgtheater einen Polizisten, der mit anderen Beamten eine Sperrkette gebildet hatte, mit einer Transparent-Stange geschlagen und sich danach gegen seine Festnahme gewehrt zu haben. Er hatte das entschieden bestritten. Es könne sich nur um eine Verwechslung handeln, hatte Verteidiger Ernst Schillhammer argumentiert.

Widersprüchliche Angaben

In ihrer Begründung für den Freispruch verwies Richterin Michaela Röggla-Weiss zunächst auf "widersprüchliche Angaben im Akt". So hatte der eine Polizist, gegen den 18-Jährige angeblich tätlich vorgegangen sein soll, erklärt, dieser habe bei dem Vorfall eine Haube getragen, während ein zweiter Kollege keine Kopfbedeckung wahrgenommen haben will.

Die Zeugenaussagen von Freunden und Bekannten des Schülers, aber auch mit diesem in keinem Naheverhältnis stehenden Personen, die übereinstimmend versichert hatten, dieser habe keine Transparentstange in Händen gehalten, waren für die Richterin demgegenüber "glaubwürdig und nachvollziehbar". Dass die angebliche Tatwaffe von der Polizei nicht sichergestellt wurde, nannte Röggla-Weiss einen "wesentlichen Mangel in diesem Verfahren".

"Wie es zu diesem Strafantrag kam, weiß ich nicht"

Staatsanwältin Angelika Fichtinger hatte in ihrem Schlussvortrag die "Anwendung des Gesetzes" beantragt. "Wie es zu diesem Strafantrag kam, weiß ich nicht", sagte die Sitzungsvertreterin der Anklagebehörde, wobei sie betonte, sie habe diesen "nicht geschrieben".

Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Die Anklägerin gab vorerst keine Erklärung ab - offenbar muss bzw. möchte sie noch mit jener Kollegin, die den Strafantrag verfasst hatte, bzw. Dienstvorgesetzten Rücksprache halten.

"Keine Schmerzen gehabt"

Der 37 Jahre alte Polizist, der attackiert worden sein soll, hatte schon beim Prozessauftakt am vergangenen Montag eingeräumt, er erkenne im Angeklagten "nicht zu 100 Prozent" den Angreifer wieder. Er hatte mit zahlreichen anderen Kollegen hinter dem Burgtheater eine Sperrkette gebildet. Eine "Menschenmasse" habe dagegen angedrückt, so der Beamte: "Teilweise sind sie durchgelaufen." Jemand habe ihm mit einer Stange auf den Unterarm geschlagen: "Aufgrund der Schutzausrüstung habe ich keinen Schmerz gehabt." Reflexartig habe er dennoch nach der Stange gegriffen und dabei den Arm des Angeklagten zu fassen gekriegt.

Es sei mit diesem zu einer "Rangelei" gekommen, ein zweiter Kollege habe ihn "schützend" unterstützt. Seine Sicht sei während der Amtshandlung aufgrund des Schutzhelms getrübt gewesen: "Das Visier war angelaufen. Das passiert bei solchen Einsätzen. Aufgrund der Menschenmasse war es leicht beschlagen."

"Gesundheit hatte Priorität"

Der zweite Polizist - er befand sich in der Vorwoche auf Urlaub - wurde heute als Zeuge unter Wahrheitspflicht zu dem Geschehen befragt. "Eine Person hat einen Kollegen mit einem länglichen Gegenstand angegriffen", gab er zu Protokoll. Er sei allerdings zehn bis 15 Meter entfernt gestanden, habe sich auf den Kollegen konzentriert und "alles andere ausgeblendet". Die Statur des Angeklagten könne "schon hinkommen", meinte der Zeuge auf die Frage, ob dieser der Angreifer sei. Für ihn habe "die Gesundheit von dem Kollegen Priorität gehabt". Insofern habe er auch der Tatwaffe keine Beachtung geschenkt: "Da vernachlässigt man die Stange. Vielleicht, dass sie im Zug der Rangelei verschwunden ist."

Für den Schüler hatte die Amtshandlung gravierende gesundheitliche Folgen. Er wurde bei dem polizeilich erzwungenen Sturz verletzt und ist seither auf Krücken angewiesen, obwohl der Vorfall über ein Jahr zurückliegt. Er war seiner Darstellung zufolge mit beiden Knien mit voller Wucht auf den Beton geknallt. Das habe ein Knochenödem zur Folge gehabt, verwies der Jugendliche auf ärztliche Feststellungen. Obwohl er mehrere Ärzte konsultiert habe und Therapien in Anspruch nahm, sei er nach wie vor in seiner Bewegungsfähigkeit einschränkt. Zudem nimmt der 18-Jährige seinen Angaben nach weiterhin täglich Schmerzmittel.

Unterschiedliche Voraussetzungen

Nach seiner Festnahme war der Bursch auf eine Wachstube gebracht worden. Dort wurde er vier Stunden in eine Zelle gesperrt, ehe man eine Einvernahme durchführte und ihn um halb vier in der Früh entließ. Der schlaksige junge Mann bringt 65 Kilo auf die Waage. Der Polizist, gegen den er sich gewehrt haben soll, ist einen Kopf größer und wiegt eigenen Angaben nach 105 bis 110 Kilogramm. Ein gegen den Beamten gerichtetes Verfahren wegen Körperverletzung wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Der 18-Jährige und seine bei der Verhandlung anwesenden Eltern reagierten auf den Ausgang des Strafverfahrens naturgemäß erleichtert. "Jetzt beginnt der eigentliche Prozess - der Heilungsprozess", machte der Vater deutlich, dass sein Augenmerk nun primär der Genesung seines Sohnes gilt.

Amtshaftungsklage

Jetzt stehen Entschädigungsansprüche im Raum. Der 18-Jährige war bei der Amtshandlung verletzt worden, er ist nach wie vor auf Krücken angewiesen und nimmt seinen Angaben zufolge weiterhin täglich Schmerzmittel ein. Wie sein Rechtsvertreter Ernst Schillhammer am Montagnachmittag im Gespräch mit der APA erklärte, will er prüfen, ob Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Zu denken wäre etwa an eine Amtshaftungsklage gegen die Republik.