Alle Frauen, die in Österreich im Rahmen der 2013 bis 2015 durchgeführten Studie interviewt wurden, haben demnach physische, psychische, sexualisierte und strukturelle Gewalt sowie Diskriminierung erlebt. Das Spektrum der körperlichen Gewalt reicht von Anrempeln, Bespucken, Ohrfeigen bis zu schweren Formen wie Verprügeln, Tritte, Würgen oder Mordversuche.

"Je mehr man abhängig ist, desto größer ist die Gefahr, Opfer von Gewalt zu werden", sagte der Direktor des BIM, Manfred Nowak. Die Gewalterfahrungen behinderter Frauen seien immer noch ein tabuisiertes Thema, kritisierte der international anerkannte Experte für Menschenrechte.

Dass Österreich mit seinem im Jahr 1997 in Kraft getretenen Gewaltschutz ein Vorbild für andere Staaten war, ist unstrittig. "Es gibt aber irrsinnige Lücken bei der Umsetzung der UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen", sagte Nowak. Die Schuld dafür sieht er weniger beim Sozialministerium, dessen Rechte beschränkt seien, sondern bei den Ländern.

Wenn Frauen mit Behinderungen Unterstützung suchen, dann tun sie das meistens bei Angehörigen und Freunden, weniger bei Opferschutzeinrichtungen. Dafür fanden die Studienautorinnen Sabine Mandl und Claudia Sprenger mehrere Gründe: Bauliche Barrieren, mangelndes Wissen über die Möglichkeiten bei den Betroffenen und Unterstützungsangebote, die nicht auf die Lebensrealität Behinderter zugeschnitten sind.

Helene Jarmer, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des BIM und Behindertensprecherin der Grünen, erläuterte anhand eines simplen Beispiels, woran Unterstützung scheitern kann: Eine von ihr seit Jahren geforderte, rund um die Uhr erreichbare Notruf-Einrichtung für Behinderte existiert nach wie vor nicht, obwohl im Prinzip ohnehin alle dafür sind.

Für die Studie wurden in Österreich, Deutschland, Großbritannien und Island insgesamt 169 Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen durch Tiefeninterviews befragt. An einem Online-Fragebogen haben 602 Einrichtungen mitgewirkt, 54 Vertreterinnen aus Opferschutz-Einrichtungen wurden interviewt. Der Endbericht ist ab Mittwoch auf der Projektwebsite zu finden: )