Bis zu 35 Betriebe mit mehreren Hundert Kühen sind betroffen. In ein paar von ihnen wurden Grenzwertüberschreitungen in der Rohmilch bereits festgestellt, die Überprüfung läuft jedoch noch. In den Verkauf kam die kontaminierte Milch nach Auskunft der Behörden zu keinem Zeitpunkt. Derzeit werden verstärkt Kontrollen in den Betrieben durchgeführt. Eine Untersuchung des Trinkwassers ergab Unbedenklichkeit.

Am Donnerstag ist auch die Justiz in der Sache aktiv geworden. "Ein Anlassbericht ist unterwegs. Spätestens morgen wird von uns ein Ermittlungsauftrag ergehen", sagte Staatsanwaltschaftssprecher Markus Kitz auf APA-Anfrage. Ermittelt werde vorerst gegen unbekannte Täter.

Den Bauern in der Region hat das HCB ein gewaltiges Problem gebracht. Hannes Zechner, Obmann des Milchhofs "Sonnenalm", beziffert allein den Schaden beim Heu in seinem eigenen Betrieb mit bis zu 100.000 Euro. 250 Tonnen Bioheu wurden für die Bauern der Molkerei aus anderen Regionen zugekauft, als Ersatz für kontaminiertes eigenes Futter. Den Gesamtschaden für die Görtschitztaler Bauern schätzt Zechner auf mehrere Millionen Euro. "Wir werden unsere Schadenersatzforderungen stellen müssen", sagte er im Namen seiner Molkerei. Dabei sind keine der fünfzehn "Sonnenalm"-Bauern unter jenen 35 Betrieben, die von Grenzwertüberschreitungen in der Rohmilch betroffen sein könnten.

Ein Görtschitztaler Milchbauer mit 25 Kühen sagte zur APA: "Die Bauern sind das Opfer, ohne Schuld. Wir bewirtschaften Grund und Boden, versorgen die Tiere und dann kommt man drauf, dass das Futter verseucht ist." Die Industrieemissionen seien die Verursacher des Problems, "und in der Milch bleibt es hängen".

Berndt Schaflechner, der Leiter des Zementwerks, hatte am Donnerstagvormittag gegenüber der APA gesagt: "Dass HCB eine Belastung im Blaukalk ist, war weder uns noch den Behörden bekannt." Seit Juli 2012 wird in dem Werk Blaukalk im Produktionsprozess verwertet. Laut Schaflechner wisse man im Werk erst seit 6. November definitiv über die HCB-Emissionen bescheid. Die Einbringung von Blaukalk in den Zementofen sei am 7. November eingestellt worden.

Das Problem mit dem HCB im Görtschitztaler Kalk müsste eigentlich schon länger bekannt sein. Im öffentlich, auch via Internet abrufbaren Altlastenatlas des Umweltbundesamts gibt es einen Bericht aus dem Jahr 2003 über die "Kalkdeponie Brückl", wo im untersuchten Kalk unter anderem HCB festgestellt wurde.

2011 erhielt die Wietersdorfer Gruppe den Zuschlag für die Verwertung des Kalks, wie damals bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben wurde. Der Kalkschlamm stammt aus einer Großdeponie, zugehörig einem Werk der Donau Chemie. Laut Greenpeace enthielt auch die damalige Ausschreibung die Information, dass der Kalk "hohe Gehalte an Chlorkohlenwasserstoffen darunter auch HCB aufweist". Vonseiten der Donau Chemie wurde bestätigt, dass in der Ausschreibung sehr wohl die Verunreinigungen durch Lösungsmittel, darunter auch HCB, aufgeführt waren. Eine Studie habe ergeben, dass der Blaukalk emissionsfrei verarbeitet werden kann, wenn im Ofen Temperaturen zwischen 800 und 1.000 Grad herrschen.

Bei der Erzeugergemeinschaft Rind aus Salzburg hatte man im Herbst vergangenen Jahres bei im Rahmen eines Monitorings durchgeführten Routinekontrollen HCB in Kalbfleisch nachgewiesen, allerdings weit unterhalb der Grenzwerte und nicht meldepflichtig. "Wir haben versucht, es gebietsmäßig einzuordnen und sind auf Kärnten gekommen", sagte ein Mitarbeiter zur APA. Die Information wurde auch an die AGES, die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, weitergeleitet.

Untersuchungen, ob die Blaukalkverwertung tatsächlich die Ursache der Kontaminierung im Görtschitztal ist, laufen noch. Endgültige Ergebnisse sollen in zwei Wochen vorliegen.

Das HCB in der Milch hat auch politisch einiges an Staub aufgewirbelt. Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hat die Landesamtsdirektion mit "umfangreichen Untersuchungen" beauftragt. Kaiser will wissen, wer die Verantwortung trägt und warum die Öffentlichkeit erst ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des HCB-Problems in der Beamtenschaft informiert wurde. Außerdem wurden zwei Infohotlines eingerichtet. FPÖ-Landesrat Christian Ragger und sein Amtskollege vom Team Stronach, Gerhard Köfer, kritisierten das ihrer Ansicht nach mangelhafte Krisenmanagement der Koalition.