Warnant drohte den Männern, sie werde sich das Nummernschild aufschreiben und den Vorfall melden. Die Warnung verpuffte, zur Polizei ging Marie Warnant trotzdem. Denn in Belgien ist das, was die Männer getan haben, strafbar. Seit fast zwei Jahren gilt in dem Land ein besonderes Gesetz gegen Sexismus: Öffentliche Gesten und Handlungen, die Verachtung gegenüber einer Person aufgrund ihres Geschlechts zum Ausdruck bringen, können mit einem Jahr Haft oder 1.000 Euro Geldstrafe geahndet werden.

Doch was bringt so ein Gesetz? Nach den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln ist die Diskussion über Sexismus auch in Deutschland wieder hochgekocht. Feministinnen wie Anne Wizorek kritisierten, dass die Debatte schnell für rassistische Zwecke missbraucht worden sei und sexualisierte Gewalt gegen Frauen stattdessen immer ein Thema sein müsse - aber eben nicht sei. Die #ausnahmslos-Kampagne wurde gestartet,

Zu den ersten Unterzeichnern der Initiative gehörte der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD). Ein Gesetzentwurf zur Verschärfung des Sexualstrafrechts aus seinem Haus wurde im März im Kabinett verabschiedet. Doch auch, wenn es Opfer sexueller Übergriffe in Zukunft leichter haben, ihre Peiniger hinter Gitter zu bringen - ein klar ausgesprochenes "Nein" reicht in Deutschland immer noch nicht aus, bemängeln viele Feministinnen und Opferverbände.

Belgien scheint mit seinem Sexismus-Gesetz da schon einen Schritt weiter: Schließlich schafft die Regelung eine recht niedrige Schwelle für Strafbarkeit - und sensibilisiert für das Problem. "Dieses wegweisende Gesetz spiegelt eine klare Ablehnung von Sexismus wider", sagt Eva Abella Martin vom staatlichen Institut für Chancengleichheit, das die Neuregelung angestoßen hat. Es verändere vor allem die Mentalität der Menschen.

Zumindest in der Theorie. Denn bei der Umsetzung hapert es gewaltig. In der Brüsseler Gemeinde Ixelles etwa kam es seit der Einführung des Gesetzes zu Dutzenden Anzeigen, bis Anfang April war allerdings kein einziger der Täter ermittelt. Anzügliche Sprüche, Beleidigungen, Pfiffe - unangenehm ist das, verletzend. Doch wer würde in diesem Moment auf die Idee kommen, stehen zu bleiben, nach dem Namen zu fragen? Das ist nicht nur sinnlos, sondern möglicherweise sogar gefährlich. Und genau das macht die praktische Umsetzung des Gesetzes schwierig.

Eine solche Regelung müsse von Maßnahmen wie Informationskampagnen begleitet werden, fordert daher die belgische Frauenrechts-Organisation Vie Feminine. "Wenige Frauen wissen, dass es dieses Gesetz gibt", kritisiert Laetitia Genin von der Organisation. Die Anwendung sei schwierig, räumt sie ein. Allerdings könne es helfen, wenn Polizisten gezielt geschult würden.

Doch bei aller Kritik: Die Regelung sei ein Signal dafür, was als akzeptabel gilt und was nicht, betont Genin. "Dieses Gesetz gibt die Richtung an, in die unsere Gesellschaft im Kampf gegen Diskriminierung, Ungleichheit und insbesondere im Kampf gegen Sexismus gehen muss." Und auch die Polizeisprecherin aus Ixelles ermutigt Betroffene, Vorfälle trotz fehlenden Fahndungserfolgs weiter zu melden. "Keine Frau, kein Individuum sollte sich verletzende und diskriminierende Worte anhören müssen."

Auch in Österreich wurde im Sexualstrafrecht zuletzt nachgeschärft: Als "Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung" werden (mit bis zu zwei Jahren Haft) nun auch Fälle strafbar, in denen sich Opfer aus Angst nicht wehren. An der Neufassung des Paragrafen 218 zur sexuellen Belästigung wurde lange gefeilt - die mediale Debatte wurde etwas salopp unter dem Begriff "Po-Grapschen" geführt -, seit heuer drohen bis zu sechs Monate Haft für entwürdigende Berührungen an Körperstellen, die der Geschlechtssphäre zuordenbar sind.