Nach dem schweren Zugsunglück mit zehn Toten in Oberbayern gehen in Bad Aibling die Bergungsarbeiten weiter - und die Frage nach dem Warum bleibt. Am Mittwoch war schweres Gerät für die Bergung der Zugwracks am Unfallort eingetroffen, darunter zwei Spezialkräne.

Die Aufräumarbeiten werden durch die gleichen Umstände erschwert wie die Rettung der Opfer: Die Unglücksstelle liegt in einem Waldstück an einer Hangkante, die steil zu einem Kanal abbricht, und ist nur schwer zu erreichen.

Obwohl die Bergungsfahrzeuge mit Flutlicht ausgestattet sind, wurden die Arbeiten in der Nacht zum Donnerstag für mehrere Stunden unterbrochen. Die schwierige Bergung des Zugwracks sollte bei Tageslicht fortgesetzt werden. Polizisten und Sicherheitspersonal bewachten in der Nacht den Unfallort.

Wochen bis Klarheit

Auch die Frage nach der Ursache für eines der schwersten Bahnunglücke in der Geschichte der Bundesrepublik beschäftigt Überlebende, Angehörige und Ermittler weiter. Polizei und Staatsanwaltschaft betonten am Mittwoch, es könne noch Wochen dauern, bis Klarheit herrsche. Eine 50-köpfige Sonderkommission arbeitet an dem Fall. Das Unglück soll in der kommenden Woche auch Thema im Verkehrsausschuss des Bayerischen Landtags sein.

Bisher gebe es keine Hinweise auf einen technischen Fehler oder auf Fehler bei der Signalbedienung durch einen der Lokführer, sagte Deutschlands Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Ein Polizeisprecher vor Ort sagte, ein Fehler oder Vergehen - etwa des diensthabenden Fahrdienstleiters - könne zwar nicht ausgeschlossen werden. Doch sei der Fahrdienstleiter bereits unmittelbar nach dem Zusammenstoß befragt worden. Daraus ergebe sich noch "kein dringender Tatverdacht", sagte Polizeisprecher Jürgen Thalmeier.

Gottesdienst für Opfer

Wie am Mittwoch bekannt wurde, soll es einen ökumenischen Gottesdienst für die Opfer geben; Zeit und Ort waren zunächst aber noch offen. Bei dem Zusammenstoß zweier Pendlerzüge der privaten Bayerischen Oberlandbahn waren am Dienstagmorgen zehn Menschen gestorben. 17 Menschen wurden schwer, 63 leicht verletzt.

Fehlverhalten des Fahrdienstleiters?

Nach Angaben aus Ermittlerkreisen verdichteten sich unterdessen Hinweise auf ein Fehlverhalten des Fahrdienstleiters. "Die Untersuchungen gehen in Richtung des Fahrdienstleiters", sagte ein mit den Ermittlungen Vertrauter am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Die eingleisige Strecke sei für beide Züge freigegeben worden, obwohl die Systeme in solchen Fällen immer warnen. Ein Sprecher der deutschen Bundespolizei wollte sich allerdings nicht auf menschliches Versagen festlegen. "Das können wir nicht bestätigen. Es wird in alle Richtungen ermittelt."

Um die Ursache für die verheerende Kollision zweier Regionalzüge der privaten Bayerischen Oberlandbahn auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim zu klären, arbeitet nach Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) eine 50-köpfige Sonderkommission. Zu den bisherigen Ergebnissen wollten die Pressestellen von Polizei und Staatsanwaltschaft unter Verweis auf laufende Ermittlungen keine Stellung nehmen.

Ein Polizeisprecher an Ort und Stelle sagte, zwar könne ein Fehler oder Vergehen - etwa des diensthabenden Fahrdienstleiters - nicht ausgeschlossen werden. Doch sei der Fahrdienstleiter bereits unmittelbar nach dem Zusammenstoß der Regionalzüge am Dienstag befragt worden. Daraus ergebe sich noch "kein dringender Tatverdacht", sagte Polizeisprecher Jürgen Thalmeier. Die Ermittlungen stünden noch am Anfang. Bahnchef Rüdiger Grube sagte: "Haben Sie Verständnis, dass ich den Untersuchungsergebnissen nicht vorgreifen möchte."

Bereits zwei Blackboxes geborgen

Die Deutsche Presse-Agentur hatte "aus zuverlässiger Quelle" erfahren, dass die Tragödie im oberbayerischen Landkreis Rosenheim durch menschliches Versagen ausgelöst worden sei. Am Mittwoch ermittelten die Beamten auch im Stellwerk von Bad Aibling. Experten der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes waren an der Unfallstelle.

Zwei der sogenannten Blackboxes aus den Zügen seien bereits geborgen worden, die dritte könnte noch am Mittwochnachmittag folgen, erklärte Dobrindt. Ohne eine Analyse der Daten dieser Fahrtenschreiber, die ähnlich wie in Flugzeugen Informationen über das Fahrzeug sammeln, sei eine Klärung des Hergangs schwierig, erläuterte der Minister.

Nachdem in den Trümmern des Zuges niemand mehr vermisst wird, geht die Polizei davon aus, dass es bei der bereits am Vortag genannten Zahl von zehn Todesopfern bleibt. Auch die Schwerverletzten würden wohl alle überleben, hieß es.

Neun der zehn Opfern identifiziert

Die Ermittler stellten unterdessen die Identität von neun der zehn Opfer fest. Dabei handelt es sich ausschließlich um Männer im Alter von 24 bis 60 Jahren, wie Thalmeier sagte. Alle stammten aus der Region. Unter ihnen seien auch die zwei Lokführer sowie ein Lehr-Lokführer, der routinemäßig einen der beiden Männer auf seiner Fahrt begleitete. Österreicher seien weder unter den Toten, noch unter den Schwerverletzten, teilte Außenamtssprecher Thomas Schnöll der APA unter Berufung auf Informationen der deutschen Behörden mit. Der Einsatzleiter und Gesamtkoordinator der Tiroler Hilfskräfte bei dem Unglück, der Kufsteiner Bezirksrettungskommandant Gerhard Thurner, zollte seinen bayerischen Kollegen ein großes Lob.

Neben den zehn Toten gab es 17 Schwer- und 63 Leichtverletzte. Von letzteren konnten viele das Krankenhaus nach einem kurzen Aufenthalt bereits wieder verlassen. Mehr als 300 Menschen erklärten sich nach dem Zugsunglück zu Blutspenden bereit.

Roman Hebenstreit, Vorsitzender des Fachbereichs Eisenbahn in der österreichischen Gewerkschaft vida, hob in einer Stellungnahme die Bedeutung einheitlicher, hoher Ausbildungsstandards im europäischen Eisenbahnwesen hervor. "Die bisherigen Aktivitäten der Europäischen Kommission gehen hier leider den genau gegenteiligen Weg." Einheitliche Ausbildungsstandards, etwa für einen Fahrdienstleiter, suche man vergebens. Die European Railway Agency (ERA) versuche, die Anforderungen an Grundqualifikation beim Triebfahrzeugführer auf Volksschulniveau zu senken.

Schwerstes Unglück seit 40 Jahren

Es ist das schwerste Bahnunglück in Bayern seit mehr als 40 Jahren. Am Mittwoch traf schweres Gerät, darunter ein Spezialkran, für die Bergung der Zugwracks in Bad Aibling ein. Die Aufräumarbeiten werden durch die gleichen Umstände erschwert wie die Rettung der Opfer: Die Unglücksstelle liegt in einem Waldstück an einer Hangkante, die steil zu einem Kanal abbricht, und ist nur schwer zu erreichen. Die Bergung der Trümmer wird daher wohl mehrere Tage dauern. Wegen des Unglücks hatten sich die Parteien in Bayern entschieden, auf den Politischen Aschermittwoch zu verzichten, bei dem traditionell mit markigen Worten in Bierzeltatmosphäre der politische Gegner ins Visier genommen wird.