Die Physik-Nobelpreisträger 2015, Takaaki Kajita (56) von der Universität Tokio und Arthur B. McDonald (72) von der Queen's University in Kingston (Kanada), waren nach Angaben des Nobelpreis-Komitees in Schlüsselpositionen jener beider Forschergruppen, die um die Jahrtausendwende ein jahrzehntealtes Neutrino-Rätsel lösten: Sie entdeckten, dass sich diese Teilchen auf dem Weg zur Erde verändern.

Jahrzentelanges Rätsel

Der österreichische Physik-Nobelpreisträger Wolfgang Pauli (1900-1958) hatte 1930 Neutrinos vorhergesagt, nachgewiesen wurden diese Elementarteilchen erst 1956. Doch über Jahrzehnte stellten die Neutrinos die Wissenschafter vor ein Rätsel. Der Theorie zufolge sollten bei der Energieerzeugung im Inneren der Sonne und bei Reaktionen zwischen der Kosmischen Strahlung und der Erdatmosphäre viel mehr Neutrinos entstehen als in sämtliche Experimenten auf der Erde gemessen werden konnten.

Das Problem ist, dass Neutrinos elektrisch ungeladen sind und praktisch die gesamte Materie ohne irgendwelche Wechselwirkungen passieren. Nach Schätzungen wird auf der Erde eine Fläche von der Größe einer Fingerkuppe in jeder Sekunde von etwa 65 Milliarden von der Sonne stammenden Neutrinos durchdrungen, nur ein winziger Bruchteil kollidiert dabei mit anderen Teilchen. Entsprechend schwierig ist die Untersuchung der Teilchen.

Detektoren in Japan und Kandada

Für ihren Nachweis bauten die Wissenschafter Detektoren, die aus riesigen Wassertanks bestehen. In Japan ging 1996 Super-Kamiokande in Betrieb, ein mit 50.000 Tonnen hochreinem Wasser gefüllter Tank einen Kilometer unter der Erdoberfläche. Drei Jahre später eröffneten Kanadische Wissenschafter das Sudbury Neutrino Observatory, wo zwei Kilometer unter der Erdoberfläche ein Tank mit 1.000 Tonnen schwerem Wasser auf Neutrinos wartete. Kam es in diesen Tanks zu einem Zusammenstoß zwischen einem Neutrino und einem Wassermolekül, führt dies in Folge zu Leuchterscheinungen (Tscherenkow-Strahlung), die registriert werden.

Takaaki Kajita hatte schon 1988 herausgefunden, dass es auch ein Defizit einer der drei existierenden Neutrino-Arten gibt, die in der Atmosphäre erzeugt werden, wenn die Kosmische Strahlung auf Luftmoleküle trifft. 1998 führte er dieses Defizit auf die sogenannte Neutrinooszillation zurück. Das bedeutet, dass die Teilchen auf dem Weg zum Detektor ihre Identität wechseln. Diese Wandlungsfähigkeit wiesen Arthur B. McDonald und sein Team 2001 dann auch an Neutrinos nach, die von der Sonne stammten.

Diese nachgewiesene "Zustandsveränderungen von einigen der häufigsten Bewohner des Universums", wie Göran Hansson, Generalsekretär der Akademie, die Neutrinos bezeichnete, hatte aber bedeutende Konsequenzen: "Über ein halbes Jahrhundert dachten wir, dass Neutrinos keine Masse haben", sagte Nobeljurorin Olga Botner. Doch wenn sich Neutrinos von einem in einen anderen Typ verwandeln können, müssen sie Masse haben.

Man weiß, dass diese Masse nur sehr gering ist, exakte Angaben fehlen aber noch. Weil Neutrinos aber so häufig sind, spielen sie in der Massenbilanz durchaus eine wichtige Rolle. Laut Nobelpreiskomitee entspricht die Masse aller Neutrinos im Universum zusammen in etwa jener der sichtbaren Sterne im Kosmos.

Forschungsgruppen in engem Kontakt

McDonald und Kajita haben einander erst vor drei Wochen bei einer Konferenz getroffen, erklärte der Kanadier in einem Telefoninterview im Rahmen der Pressekonferenz anlässlich der Verkündung der Preises. Die beiden Forschungsgruppen stünden seit Jahren in engem Kontakt, erklärte McDonald: "Wir haben eine sehr positive Beziehung". Es sei schön, dass es mit der Forschungsarbeit seines Teams gelungen ist, "zum grundlegenden Verständnis der Welt beizutragen".

"Es war eine große Überraschung für mich, es ist ziemlich unglaublich!", erklärte Kajita der offiziellen Plattform des Nobelpreiskomitees "Nobelprize.org". Als sich der Forscher am Beginn seiner Karriere mit dem Protonenzerfall beschäftigte, führte ihn das auch zu den Neutrinos. "Ich bemerkte, dass da etwas Seltsames vor sich ging. Und das war der Beginn meiner Auseinandersetzung mit Neutrinos", erklärte der Physiker.

Acht Millionen Kronen

Die Auszeichnung ist heuer mit acht Millionen schwedischen Kronen (850.000 Euro) dotiert. Der Preis wird am 10. Dezember, am Todestag des 1896 gestorbenen Preisstifters, verliehen.

Im Vorjahr ging die Auszeichnung an die drei japanischen Forscher Isamu Akasaki, Hiroshi Amano und Shuji Nakamura für die "Entwicklung von effizienten blauleuchtenden Dioden, die helle, energiesparende weiße Lichtquellen ermöglicht haben".