"In Abhängigkeit von der Anzahl der Körperteile, die gefunden werden, kann der Zeitrahmen zwischen mindestens zwei und vier Monaten schwanken", sagte Francois Daoust, der Leiter des zuständigen Kriminalinstituts der französischen Gendarmerie. 

"Es ist besser im Rhythmus der Wissenschaft zu arbeiten als zu überstürzen und damit das Risiko einzugehen, sich bei der Identifizierung zu irren." Nach Angaben des Institutschefs ist der Ausgang der Arbeiten unklar. "Wir können nicht versprechen, dass alle Opfer identifiziert werden können", sagte Daoust. Beim Absturz einer Maschine von Air Algérie in Mali im vergangenen Jahr habe das Institut 115 von 116 Opfern identifizieren können. "Den 116. konnten wir nicht identifizieren, weil wir nichts von ihm wiedergefunden haben."

Der Fachmann verwies auch auf die Umstände des Absturzes der A320 vor knapp einer Woche in den französischen Alpen. "In diesem Fall ist der Aufprall auch mit großer Geschwindigkeit erfolgt", sagte Daoust.

Aus seinem Institut ist derzeit ein mobiles Team mit 31 Experten in Seyne-les-Alpes. Proben der im Absturzgebiet gefundenen sterblichen Überreste werden ins Institut nach Pontoise gebracht und ausgewertet. Sie sollen letztlich mit den DNA-Proben der Verwandten abgeglichen werden. Dabei werden auch deutsche Experten herangezogen.

Die Ermittler erhielten nun die Krankenakten des Co-Piloten der abgestürzten Germanwings-Maschine. Der Mann war vor seiner Karriere als Berufspilot als selbstmordgefährdert eingestuft. Der 27-Jährige, der nach bisherigen Erkenntnissen den Airbus mit 150 Menschen an Bord absichtlich abstürzen ließ, war vor einigen Wochen als Patient an das Uniklinikum Düsseldorf gekommen.

Krankenakte des Co-Piloten

Der 27-Jährige, der nach bisherigen Erkenntnissen den Airbus mit 150 Menschen an Bord absichtlich abstürzen ließ, war vor einigen Wochen als Patient an das Uniklinikum gekommen. Dabei ging es den Angaben zufolge um "diagnostische Abklärungen", die aber nicht näher erläutert wurden. Auch blieb unklar, in welcher der vielen Abteilungen der Co-Pilot untersucht wurde. Zwischen Februar 2015 und dem 10. März war der Mann mindestens drei Male vorstellig geworden.

Das Klinikum hatte Berichte dementiert, wonach "Andreas Lubitz wegen Depressionen in unserem Haus in Behandlung gewesen sei". Die Übergabe der Akten war ursprünglich für Freitag angekündigt worden.

Suche nach Flugdatenschreiber geht weiter

Bei der Suche nach dem Flugdatenschreiber der abgestürzten Germanwings-Maschine setzen die Ermittler auf akribische Suche statt auf Funksignale. "Die Geräte senden nur bei Kontakt mit Wasser", erläuterte Jens Friedemann von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) am Montag in Braunschweig. In den Alpen sende der Datenschreiber also gar keine Funksignale.

Die BFU ist mit sieben Personen an den Untersuchungen des Absturzes beteiligt - fünf davon in Frankreich. Sie werden den Schreiber gemeinsam mit ihren französischen Kollegen auswerten, sobald er gefunden ist. Der Chip mit mehreren Hundert gespeicherten Daten steckt in einem gepanzerten Zylinder von der Größe einer Konservendose. Er soll über die letzten Minuten an Bord des Germanwings-Airbusses Aufschluss geben, der am vergangenen Dienstag mit 150 Menschen an Bord an einer Felswand in den französischen Alpen zerschellte.

Möglicherweise beschädigt?

Lufthansa-Manager Kay Kratky verwies am Sonntagabend auf eine mögliche Beschädigung des Geräts. Das Flugzeug sei mit Tempo 800 und damit mit unvorstellbarer Wucht an dem Bergmassiv nordöstlich von Marseille zerschellt, sagte Kratky in der ARD-Talkshow "Günther Jauch".

"Es könnte sein, dass die Belastung hier zu groß war und er keine Signale sendet", so Kratky. Die Ermittler erhoffen sich von den auf dem Flugschreiber gespeicherten Daten Aufschluss darüber, was an Bord des Airbus geschah, bevor er vergangenen Dienstag mit 150 Menschen an Bord abstürzte. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der 27 Jahre alte Co-Pilot die Maschine mutwillig zum Absturz gebracht. Warum - darauf haben die Ermittler noch keine Antwort geben können.

Nach einer nächtlichen Unterbrechung soll die Suche nach Opfern und dem Flugdatenschreiber am Morgen fortgesetzt werden. Gleichzeitig wird ein Weg ins Absturzgebiet in der Nähe des Örtchens Seyne-les-Alpes geschaffen. Der Zugang könnte Montagabend fertig sein und soll vor allem ermöglichen, schwereres Bergungsgerät in die Region zu bringen. Bisher werden Ermittler und Bergungskräfte tagsüber mit Hubschraubern in das unwegige Gebiet gebracht. Die Bergung der Toten hat absoluten Vorrang, sagte Staatsanwalt Brice Robin der Deutschen Presse-Agentur.

DNA von 78 Personen gefunden

Die Behörden hoffen, dass die Bergung der Leichen bis zum Ende der kommenden Woche abgeschlossen ist. Nach Angaben der Ermittler wurde DNA von vorläufig 78 Personen gesichert. Meldungen, wonach Leichenteile des Co-Piloten identifiziert wurden, dementierte Robin am Sonntag. "Wir haben noch keine Opfer identifiziert, sondern DNA-Spuren", sagte Robin. Bisher seien diese Informationen noch nicht mit denen der Familien verglichen worden. Die Identifizierung der Toten könnte nach Ansicht des Wiener Gerichtsmediziners Christian Reiter ein bis zwei Monate dauern, wie Reiter am Sonntagabend in der ORF-Sendung "Im Zentrum" sagte.

Germanwings will am Montag über das neue Betreuungszentrum für die Angehörigen der Opfer informieren. Das Unternehmen lud für 09.30 Uhr zu einer Pressekonferenz in Marseille. Frühestens am Montag will auch die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungsergebnisse bekannt geben.

Die Behörde hatte am Freitag lediglich erklärt, es seien in der Wohnung des Co-Piloten "zerrissene, aktuelle und auch den Tattag umfassende Krankschreibungen" gefunden worden. Der 27-Jährige aus Montabaur verheimlichte seinem Arbeitgeber nach Erkenntnissen der Ermittler eine Erkrankung. Die Fahnder suchten nach Hinweisen auf ein psychisches Leiden. Sie fanden weder einen Abschiedsbrief noch ein Bekennerschreiben. Für Berichte, wonach der Co-Piloten an starken psychischen Problemen und auch Sehstörungen gelitten haben soll, war bis Sonntag keine Bestätigung der Behörden zu erhalten.

Technischer Defekt?

Der Co-Pilot soll den Airbus A320 auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf absichtlich in einen Sinkflug versetzt haben, als der Kapitän das Cockpit kurz verließ. Die französische Staatsanwaltschaft schloss aus den Aufzeichnungen des rasch gefundenen Sprachrekorders, dass der 27-Jährige den Piloten aus dem Cockpit aussperrte. Französische Ermittler untersuchen allerdings weiterhin auch die Möglichkeit eines technischen Defekts der Maschine.

Am 17. April soll im Kölner Dom mit einem Gottesdienst und einem staatlichen Trauerakt der Opfer gedacht werden. Im westfälischen Haltern, wo um 16 Schüler und zwei Lehrerinnen getrauert wird, soll es am Mittwoch einen öffentlichen Gottesdienst geben.

Bisher 325 Angehörige nach Frankreich gereist

In Frankreich sind zahlreiche Familienangehörige und Freunde der Opfer des Germanwings-Absturzes in den Alpen empfangen worden. "Bis heute sind 325 Menschen nach Seyne-les-Alpes gereist", dem Dorf in der Nähe des Unglücksortes, wie Germanwings-Geschäftsführer Oliver Wagner am Montag im südfranzösischen Marseille berichtete.

Die meisten seien deutsche und spanische Familienangehörige gewesen, aber auch Angehörige aus Mexiko, Japan, Kolumbien, Venezuela oder Argentinien seien gekommen. Wagner erinnerte daran, dass Germanwings eine Soforthilfe für jede Familie in Höhe von 50.000 Euro beschlossen habe. Nach seinen Worten wird dieser Betrag nicht von möglichen späteren Schadenersatz-Zahlungen abgezogen.

Die Lufthansa-Tochter hatte seit Donnerstag mit drei Sonderflügen und einem Bus Angehörige und Freunde, die zur Absturzstelle kommen wollten, von Düsseldorf und Barcelona aus nach Frankreich gebracht. In der Hafenstadt Marseille richtete die Fluggesellschaft ein Betreuungszentrum für die Angehörigen ein. 201 Menschen wurden vom Staatsanwalt von Marseille, Brice Robin, über den Stand der Ermittlungen unterrichtet. Demnach brachte der 27-jährige deutsche Copilot Andreas L. die Maschine am vergangenen Dienstag offenbar absichtlich in den Alpen zum Absturz.