Sogar Zwei- und Dreijährige schwingen bei dem Stierkampf-Kongress das rote Tuch und machen jene Bewegung nach, mit der der "Matador" dem Tier mit seinem Schwert in den Nacken sticht, um ihn zu töten, wie etwa die Zeitung "El Diario" berichtet. In Spanien, wo der Stierkampf zunehmend umstrittener wird und vor allem unter den Jüngeren immer mehr an Attraktivität verliert, ist die Empörung groß.

"Das ist obszön", sagt etwa Marta Esteban, die Präsidentin des Tierschutzorganisation "La Tortura no es Cultura" (LTNEC/Tortur ist nicht Kultur). Und "El Diario" klagt, den Kindern in Albacete sei regelrecht "das Töten beigebracht" worden.

Das Stierkampf-Massentraining am Wochenende war Teil des Rahmenprogramms des I. Internationalen Kongresses für Stierkampfkunst. Für Ärger sorgt allein schon, dass das Treffen von rund 400 Kämpfern, Experten, Politikern, Unternehmern, Züchtern und Intellektuellen aus neun Ländern von öffentlichen Stellen mitfinanziert und mitorganisiert wurde. Überdies rief Kultur- und Bildungsminister Jose Ignacio Wert seine Landsleute und die Behörden energisch dazu auf, eine Initiative zu starten, um den Stierkampf von der Kulturorganisation der Vereinten Nationen UNESCO zum Weltkulturerbe erklären zu lassen.

Diese Initiative sei irrsinnig, schimpft Tierschützerin Esteban. Noch mehr Unmut löst unter Tierschützern und vielen Oppositionspolitikern aber die Forderung von Rednern aus, Stierkampf in Spanien zum Schulfach zu machen. Damit könne man "dem großen Problem des Generationenwechsels begegnen", erklärte etwa der angesehene Universitätsprofessor und Jurist Javier Lopez-Galiacho. 

Ein solcher Antrag verstoße gegen den Aufruf des UN-Komitees für Kinderrechte, die Kinder - auch in Portugal und Kolumbien - vor der "physischen und psychischen Gewalt" des Stierkampfes zu schützen, erklärt die LTNEC. Schautrainings wie das von Albacete seien dabei das kleinere Übel. Esteban berichtet, dass in der spanischen Provinz noch heute schon sehr kleine Kinder zu Kämpfern ausgebildet werden. Dabei stoßen die Matadores in spe häufig mit Schwertern so lange auf kleine Kälber ein, bis die Opfer sterben. Aber auch Kinder kämen dabei ums Leben.

Beim Kongress in Albacete durften Stierkampfgegner nur fernab des Veranstaltungsortes protestieren. Esteban ist allerdings davon überzeugt, dass "die Tage des Stierkampfes in Spanien gezählt sind, weil die Gesellschaft das so will". Die anachronistische Tradition werde in erster Linie mit öffentlichen Subventionen von mehreren hundert Millionen Euro jährlich künstlich am Leben gehalten, die auch aus EU-Hilfsgeldern für Viehzucht stammten.

Obwohl in Spanien mit dem blutigen Spektakel nach verschiedenen Schätzungen jährlich zwischen 1 und 2,5 Milliarden Euro umgesetzt werden, fanden 2013 nach amtlichen Angaben nur noch knapp 2.000 sogenannte "Corridas" statt - 40 Prozent weniger als fünf Jahre zuvor. Es gibt immer mehr Proteste und regionale Verbote, die Zuschauerzahlen sind rückläufig. Nach Umfragen sähen um die 70 Prozent aller Spanier den Stierkampf gern verboten.

Zu den Gegnern gehören allerdings weder die meisten Angehörigen der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy noch die Zehntausende, die zum traditionsreichen Sanfermin-Fest im Frühsommer immer noch Schlange stehen, um die Madrider Arena am Las-Ventas-Platz zu füllen und die besten Matadoren dann im Triumphzug auf Schultern aus der Arena zu tragen. Fans wie Pensionist Jose (72), der in einem Cafe der Hauptstadt in die Runde ruft: "Die Toros (Stiere) verbieten? Ach was. Beim Fußball fließt doch auch Blut."

Immerhin mehr als 600.000 Spanier haben ein Volksbegehren für eine Gesetzesvorlage unterschrieben, mit der der Stierkampf Ende 2013 trotz Protesten - auch von ausländischen Intellektuellen wie Literaturnobelpreisträger J. M. Coetzee - vom Parlament zum "immateriellen nationalen Kulturerbe" erklärt wurde. Das ermöglicht auch die Förderung mit öffentlichen Geldern.

Unter den Stierkampf-Fans ist auch Ex-König Juan Carlos. Der 77-Jährige würdigte vor wenigen Tagen "die Intelligenz, den Mut, die Geschicklichkeit und die Kunst" der Stierkämpfer. Esteban bereiten solche Unterstützungsbekundungen nach eigenen Worten aber keine großen Sorgen: Juan Carlos habe spätestens seit dem Skandal um seine Elefantenjagd in Botsuana in Spanien keine Vorbildfunktion mehr. Die Aktivistin zeigt sich überzeugt: "Die Fiesta ist bald vorbei!" Am 28. März soll eine große Protestdemo den Anfang vom Ende einleiten.