Im Prozess um das mysteriöse Verschwinden des sechsjährigen Etan Patz aus New York vor mehr als drei Jahrzehnten beharrt der mutmaßliche Mörder Pedro H. auf seiner Unschuld. Sein Anwalt Harvey Fishbein wies im Eröffnungsplädoyer am Freitag in New York darauf hin, dass keine Beweise gegen den 53-Jährigen vorlägen. "Es gibt keinen Tatort, keine DNA, keine Fingerabdrücke", sagte Fishbein.

Auch Tatzeugen hätten sich nicht gemeldet. Der kleine Etan war am 25. Mai 1979 auf seinem Weg zu einer nur hundert Meter von der elterlichen Wohnung entfernten Bushaltestelle verschwunden. Staatsanwältin Joan Illuzzi-Orbon sagte in ihrem Eröffnungsplädoyer, dass das Verbrechen "das Gesicht dieser Stadt für immer verändert" habe. Etan habe "ein großes Herz" und ein "ansteckendes Lächeln" gehabt. Die Anklage stützt sich maßgeblich auf ein Geständnis, das H. mittlerweile aber wieder zurückgenommen hat. Der Prozess hatte am 5. Jänner mit der Auswahl der Geschworenen begonnen.

Große Anteilnahme

Nach Etans Verschwinden hatten die Menschen in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern die Suche mit großer Anteilnahme verfolgt. Der Vermisstenfall führte dazu, dass viele Eltern in den USA mit Argusaugen über ihren Nachwuchs wachten. Der damalige US-Präsident Ronald Reagan erklärte 1983 den 25. Mai zum nationalen Gedenktag für verschwundene Kinder. Etans Foto wurde auf Milchtüten gedruckt, um Hinweise auf seinen Verbleib zu erhalten. Doch alle Bemühungen blieben erfolglos, 2001 erklärte ein Richter in New York Etan schließlich für tot.

Geständnis

Im April 2012 hatte die New Yorker Polizei überraschend neue Ermittlungen in dem Fall aufgenommen, einen Monat später verkündeten sie den Durchbruch. H. gestand damals, als junger Mann den Sechsjährigen an einer Bushaltestelle angesprochen und ihm eine Limonade versprochen zu haben. Dann habe er den Buben in den Keller eines Ladens im Stadtteil Manhattan gelockt, in dem er arbeitete. Dort habe er das Kind erdrosselt und den leblosen Körper in einem Plastiksack in den Müll geworfen. Die Leiche wurde nie gefunden.

Der mutmaßliche Täter arbeitete damals Medienberichten zufolge unweit der Wohnung von Etans Familie im New Yorker Viertel Soho. Kurz nach der Tat sei er in den Nachbarstaat New Jersey gezogen und habe dort bis zuletzt gelebt. Der Mann ist der Polizei zufolge nicht vorbestraft. Die Ermittler waren ihm durch einen anonymen Hinweis auf die Spur gekommen. H. soll im Bekanntenkreis erwähnt haben, dass er einmal ein Kind getötet habe.

"Enorme Schuldgefühle"

Dies zeige, dass der Angeklagte "enorme Schuldgefühle" habe, sagte Illuzzi-Orbon. Verteidiger Fishbein erklärte das widerrufene Geständnis dagegen mit den psychischen Problemen seines Mandanten. Der glatzköpfige H. folgte der Verhandlung im voll besetzten Gerichtssaal regungslos. Den Eröffnungsplädoyers wohnte auch Etans Vater Stan Patz bei, die Mutter will dagegen nur zu ihrer Zeugenaussage erscheinen. Ein Störer wurde am Freitag des Saals verwiesen, als er dem Angeklagten "schuldig" zurief.

Ohne das Geständnis dürfte es für die Staatsanwaltschaft allerdings schwer werden, ausreichend Beweise für eine Verurteilung von H. vorzubringen. Die Suche nach Spuren am mutmaßlichen Tatort hatte im Frühjahr 2012 keine durchschlagenden Ergebnisse geliefert. Der Prozess, bei dem rund 80 Zeugen aussagen sollen, könnte bis März oder April dauern.