Nachdem die Staatsanwaltschaft der Stadt Grosseto eine Haftstrafe von 26 Jahren und drei Monaten für den Kapitän der 2012 havarierten "Costa Concordia", Francesco Schettino, beantragt hat, wird jetzt vor Gericht um die Entschädigung für die Überlebenden gekämpft. Die Anwälte der Nebenklage stellten in ihren Plädoyers Forderungen nach Entschädigungen bis zu einer Million Euro pro Passagier.

39 Anwälte der Nebenklage werden bis Samstag die Forderungen ihrer Mandanten vorlegen. 330 Nebenkläger, darunter Überlebende der Havarie, sowie die Region Toskana und Konsumentenschutzverbände wurden als Nebenkläger zum Prozess zugelassen. Die Angehörigen der 32 Todesopfer wurden bereits von der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere, Betreiberin des havarierten Luxusliners, entschädigt. Am 5. und 6. Februar hat dann die Verteidigung das Wort. Ein Urteil wird frühestens am 9. oder 10. Februar erwartet.

Costa Crociere hatte bereits mitgeteilt, dass etwa 84 Millionen Euro Entschädigung an die Überlebenden des Schiffbruchs und an Familien der Todesopfer gezahlt worden seien. Die Gesellschaft habe die Forderungen von 85 Prozent der Menschen an Bord des Schiffes, Crew inbegriffen, erfüllt.

Das mit 4.200 Passagieren - darunter 77 Österreicher - besetzte Schiff war am 13. Jänner 2012 auf einen Felsen vor der toskanischen Insel Giglio aufgelaufen und binnen Stunden gesunken. Nach dem Unglück war heftige Kritik an der Betreibergesellschaft und am Kapitän laut geworden. Das Schiff sei viel zu spät evakuiert worden, der Kapitän zu früh von Bord gegangen und habe Hunderte Passagiere im Stich gelassen, hieß es.

Anwälte von Strafmaß überrascht

Doch Schettinos Anwälte greifen zur Gegenwehr. Sie kritisierten vor allem die Forderung der Ankläger nach Untersuchungshaft für ihren Mandanten wegen Fluchtgefahr.

"Schettino flüchtet nicht, er hat an fast allen Gerichtsverhandlungen teilgenommen und größte Kooperationsbereitschaft mit der Justiz bewiesen. Hätte er Fluchtabsichten gehegt, hätte er sie schon in den vergangenen Jahren umgesetzt", sagte Schettinos Rechtsanwalt Domenico Pepe. Sein Mandant hatte im Laufe des Prozesses zugegeben, am Tag der Havarie vor der Insel Giglio im Jänner 2012 Fehler gemacht zu haben, jedoch auch seine Offiziere beschuldigt. Vier Crewmitglieder und ein Manager der Reederei hatten sich mit dem Gericht gegen Schuldeingeständnisse auf Haftstrafen bis zu knapp drei Jahren geeinigt.

Pepe kritisierte auch die hohe Strafe, die die Staatsanwälte für seinen Mandanten gefordert haben. "Es ist fast eine lebenslängliche Haft. Man darf nicht vergessen, dass es hier um Fahrlässigkeit geht. Schettino ist außerdem unbescholten", so Pepe. Der inzwischen pensionierte Staatsanwalt Francesco Verusio, der die Ermittlungen gegen den Kapitän geführt hatte, bewertete die Strafforderung als angemessen. "Die Staatsanwaltschaft hat Schettino die Rechnung für all seine Fehler vorgelegt", betonte Verusio.

"Unser Leben ruiniert"

Die Mutter einer beim Unglück ums Leben gekommenen 23-jährigen Passagierin bezeichnete die Strafforderung hingegen als unzulänglich. "Der Kapitän hat unser Leben ruiniert. Er sollte 32 Jahre hinter Gittern sitzen, ein Jahr für jeden Toten, den er auf dem Gewissen hat", meinte die Frau.

Der seit Juli 2013 laufende Prozess gegen Schettino geht nach dem Schlussplädoyer der Staatsanwalt in die Endrunde. Am Dienstag waren die Anwälte der Nebenkläger an der Reihe. Die Verteidigung hat am 5. und 6. Februar das Wort. Ein Urteil soll das Gericht in der Toskana frühestens am 9. Februar sprechen. Wird Schettino verurteilt, hat der Ex-Kapitän noch die Möglichkeit, in Berufung zu gehen. Dann könnte er bis zu einem endgültigen Urteil auf freiem Fuß bleiben.