"Unsere Arbeit hier hat sich seit Kriegsbeginn sehr stark verändert. Es gab immer wieder eine Steigerung von etwas, das nicht vorstellbar war", sagte Waskowycz bei einer Pressreise der österreichischen Caritas in die Region anlässlich der Kinderkampagne 2015. "Die Solidarität der Bevölkerung ist enorm, die Not der Menschen oft nicht sichtbar".

So gibt es laut dem Präsidenten allein in Charkiw, der zweitgrößten Stadt in der Ukraine, rund 120.000 Binnenflüchtlinge - bei 1,4 Millionen Einwohnern. "Sie sind nicht sichtbar, es ist eine zweite Stadt in der Stadt entstanden", meinte Waskowycz. Allerdings sei "die Gesellschaft an ihren Grenzen angelangt". Hilfe ist notwendig, doch "es ist nichts in der Staatskasse, die sozialen Ausgaben können nicht bewerkstelligt werden".

Wie so oft in solchen Fällen springen auch hier NGOs ein. So hat die Caritas Österreich für die Notversorgung von Familien bisher 400.000 Euro zur Verfügung gestellt. Ein Drittel der Bevölkerung lebt in der Ukraine in Armut. Der Krieg bringt "massive zusätzliche Probleme", sagte Waskowycz.

"Kinderarmut in Osteuropa ist die größte vergessene Katastrophe. Unsere wichtigste Aufgabe ist es, die Kinder sichtbar zu machen", sagte Caritas-Präsident Michael Landau. Die Hilfsorganisation unterstützt in knapp 50 Projekten rund 6.600 Menschen, jährlich werden rund zwei Millionen Euro aus Österreich in Hilfsprojekte in der Ukraine investiert.

"Viele der betroffenen Kinder sind traumatisiert", sagte Christoph Schweifer, Auslandshilfe-Generalsekretär der Caritas. Mit den Partnerorganisationen im Land erreicht die Caritas 36.000 Kinder, das Ziel sind 50.000. "Oft heißt es, die Kinder sind die Zukunft. Das stimmt und ist falsch. Wir müssen uns jetzt um die Kinder kümmern, es geht um die Gegenwart", erklärte Schweifer.

Elaina ist viereinhalb Jahre alt, das Mädchen lebt mit seiner 48-jährigen Mutter Swetlana in einem Mutter-Kind-Zentrum in Darnitsa, einem Vorstadtbezirk von Kiew. Die Caritas Wien hat es gemeinsam mit der Partneroganisation "Fond Aspern" 2013 errichtet. Fünf Mütter und ihre Kinder leben dort. "Es gibt viel mehr Anfragen, wir können nur die schwierigsten Fälle nehmen", sagte Marina, Mitarbeiterin im Zentrum. "Mein Mann ist gleich nach der Geburt von Elaina gestorben, ich und meine Tochter wurden dann von Verwandten vor die Tür gesetzt", schilderte Swetlana. "Ich bin sehr müde, wir lebten wie Zigeuner, immer aus Taschen." Halt bekam die Familie im Zentrum, in dem die beiden seit mehr als einem Jahr leben.

Im Zimmer nebenan teilen sich die 46-jährige Katarin und ihre beiden Töchter Anja (13) und Swetlana (27) zwei Betten. Im Gitterbett, das viel zu klein ist, schläft die siebenjährige Alina, Swetlanas Kind. Die Familie ist im August aus Donezk geflohen, der Vater blieb in der umkämpften Region, um das Haus vor Plünderern zu schützen und die Haustiere zu versorgen. Jeden Tag wird miteinander telefoniert, alle haben Angst um den Vater. Anja vermisst zudem ihren zwei Jahre alten Hund Jeffrey. Auch zu ihm spricht sie über das Handy. "Mein Vater sagt, dass er dann Tränen in den Augen hat", erzählte die 13-Jährige.

Mit einer baldigen Rückkehr in die Heimat rechnen die Frauen nicht. Das Leben in Kiew ist für sie schwierig. "Keiner will mir hier eine Arbeit geben, weil ich aus Donezk bin. Immer heißt es dann, du bist eh in wenigen Monaten wieder weg, sobald der Krieg vorbei ist", sagte Swetlana.

"Kiew ist von Wien nicht weiter entfernt als Paris. Bregenz gleich nah wie die ukrainische Grenze. Lassen wir unsere Nachbarn nicht im Stich", forderte Landau. Er appellierte an die Regierung, angesichts der verzweifelten Lage der Menschen in der Ukraine eine Sonderdotierung für den Auslandskatastrophenfonds zu genehmigen.