Durch den Brand auf der "Norman Atlantic" sind neuen Angaben zufolge mindestens zehn Menschen getötet worden. Es seien zwei weitere Leichen entdeckt worden, teilte die italienische Marine am Montagabend mit. Vorherigen Regierungsangaben zufolge wurden 427 Menschen gerettet, darunter alle 56 Besatzungsmitglieder.
 Die Evakuierung des Sonntagfrüh in Brand geratenen Schiffs wurde am Montag abgeschlossen. Das Außenministerium in Wien hatte am Nachmittag vorerst noch keinen Kontakt zu einem Salzburger, der auf dem Schiff war. Nach zwei Tirolern wurden am Montag auch zwei Vorarlberger geborgen.

Zehn Todesopfer

Zur Identität der Toten gab es zunächst keine weiteren Angaben. Sechs noch nicht identifizierte Leichen waren am Montag entdeckt worden, ein Grieche starb am Sonntag kurz nach seiner Bergung aus dem Meer. Insgesamt hatten sich 478 Personen auf dem Schiff befunden, als der Brand vor der griechischen Insel Korfu ausgebrochen war. Kapitän Argilio Giacomazzi verließ am Montag um 14.50 Uhr das Schiff. Damit wurde die Evakuierung offiziell für beendet erklärt. Zuvor waren alle Passagiere und die weiteren Besatzungsmitglieder von Bord gebracht worden.

Von den fünf Österreichern, die auf der "Norman Atlantic" waren, wurden vier bis Montagnachmittag in Sicherheit gebracht. Zu einem Salzburger hatte das Außenministerium unterdessen noch keinen direkten Kontakt. Der Mann hatte für die Griechenlandhilfe einen Hilfstransport für griechische Spitäler durchgeführt. Auch Andreas Kleespies von der Griechenlandhilfe Schweiz kann seinen Kollegen seit Sonntag um 10.00 Uhr nicht mehr erreichen. "Er hat aber später, und zwar zu Mittag, noch einmal mit seinem Sohn telefoniert", sagte Kleespies im APA-Gepräch.

Eine Vorarlbergerin wurde evakuiert und in ein Krankenhaus bei der süditalienischen Stadt Lecce gebracht. Die Frau war laut österreichischem Außenministerium stark unterkühlt, der behandelnde Arzt beschrieb ihren Zustand aber als stabil. Auch der erwachsene Sohn der Vorarlbergerin wurde am Montag geborgen und von dem italienischen Marineschiff "San Giorgio" aufgenommen. Er dürfte damit laut Ministeriumssprecher Martin Weiss ebenfalls nach Italien gebracht werden.

Am Sonntag waren zwei Tiroler unverletzt in Sicherheit gebracht worden. Insgesamt standen sechs Österreicher auf der Passagierliste, der dort angeführte Salzburger war aber entgegen der Angaben alleine unterwegs. An Bord der "Norman Atlantic" spielten sich panische Szenen ab. Überlebende berichteten von Schlägereien unter Passagieren, die sich Zugang zu den Rettungsbooten und zu den Hubschraubern sichern wollten. Ein türkischer Passagier erzählte, dass kein Brandalarm ertönt sei. "Die Passagiere haben sich gegenseitig geweckt. Wir haben eine Situation wie an Bord der Titanic erlebt. Zum Glück sind wir nicht zugrunde gegangen", sagte er.

Die griechische Passagierin, Teodora Douili, deren Ehemann nach dem Brand auf der Autofähre ums Leben gekommen ist, hat über die dramatische Stunden vor dem Tod des 62-Jährigen berichtet. "Wir waren über vier Stunden lang im Wasser. Mein Mann sagte mir: 'Wir sterben, wir sterben!'. Ich habe nichts für ihn tun können", erzählte die gerettete Frau. "Nachdem uns ein Mitglied der Rettungskräfte in Sicherheit gebracht hat, ist mein Mann in seinen Armen gestorben."

Ein anderer Passagiere erzählte vom Chaos an Bord: "Man hat uns keine Anweisung gegeben. Es gab nur einen einzigen Notausgang auf Deck 6 in Richtung Bug. Es herrschte dort absolute Panik wegen des Gedränges. Es gab keinerlei Koordination, niemand hat die Leute beruhigt", sagte Rania Fyreou laut dpa im griechischen Fernsehen. "Das größte Rettungsboot für 150 Menschen war mit nur 60 Leuten besetzt. Das Personal war praktisch nicht vorhanden."

Fünf Militärs der italienischen Marine wurden bei der Rettungsaktion verletzt. Vier von ihnen mussten wegen Rauchgasvergiftungen behandelt werden. Ein weiterer Armeeangehöriger brach sich bei der Rettungsaktion ein Bein. Der Hilfseinsatz sei wegen der Wetterlage besonders schwierig gewesen. "Die Rettungseinheiten haben sich mit größten Problemen auseinandersetzen müssen", berichtete der Sprecher der italienischen Marine, Mario Maccaroni.

Die Staatsanwaltschaften in Bari und Brindisi leiteten Ermittlungen wegen fahrlässigen Schiffbruchs und fahrlässiger Tötung ein. Der Schiffseigner, die italienische Reederei Visentini, bestritt indes Mängel an Bord der "Norman Atlantic". Das Schiff sei am 19. Dezember im griechischen Hafen Patras Kontrollen unterzogen worden. Laut griechischen Medien waren Sicherheitsmängel aufgetaucht. Die Behörden sollen der Reederei zwei Monate Zeit gegeben haben, diese zu beheben.

ANEK fährt wieder

Die griechische Gesellschaft ANEK, die die Unglücksfähre gechartert hatte, hat inzwischen wieder die Verbindungen auf der Linie Igoumenitsa-Ancona aufgenommen. Die Fähre "Hellenic Spirit" ersetzt die "Norman Atlantic" und wird am Dienstag im Hafen von Ancona in Italien eintreffen.

In Italien wecken die Schilderungen schmerzhafte Erinnerungen an die Havarie der "Costa Concordia" im Jänner vor drei Jahren. Damals fuhr der Kreuzer mit mehr als 4.200 Menschen auf einen Felsen vor der Insel Giglio, 32 Menschen starben. Gegen den Kapitän Francesco Schettino läuft ein Prozess.