Am Freitag landet Papst Franziskus in Ankara, wo er seinen zweitägigen Besuch in der Türkei beginnt. Die Visite hat vor allem einen kirchenpolitischen Zweck: Papst Franziskus erweist dem Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., die Reverenz, die ihm in den Rängen der orthodoxen Kirche nicht immer erwiesen wird.

Der 74-jährige ökumenische Patriarch, der direkt nur über wenige tausend Gläubige regiert, nominell aber der ganzen Welt der Orthodoxie vorsteht, lebt in einem schlichten Palast in Istanbul, dem Phanar. Dass der holzverkleidete Bau überhaupt wieder steht, ist in der laizistischen Türkei Kemal Atatürks nicht selbstverständlich. Jahrelang durfte niemand die Brandruine wiederherstellen. Erst Turgut Özal, der Religion nicht so vehement aus dem öffentlichen Leben drängen wollte wie die Kemalisten, genehmigte gegen den Widerstand seiner Regierung die Wiedererrichtung des Gebäudes.

Andere Gesetze bedrohten die griechisch-orthodoxe Kirche in Kleinasien in ihrer Existenz. Der Nachfolger des Patriarchen muss laut Verfassung aus der kleinen Schar in der Türkei geborener Griechen kommen. Die Formulierung ist tückisch und entstand in der Hoffnung, dass es kaum möglich sein würde, aus den Versprengten einen qualifizierten Kandidaten zu rekrutieren. Das Ende einer großen Tradition schien gekommen.

Personelles Zugeständnis

"Die derzeitige Regierung hat einige Öffnungen vollzogen für Freiheitsrechte für religiöse Minderheiten", sagte der Patriarch kürzlich zu einer kleinen Schar österreichischer Journalisten, die er zur Audienz geladen hatte. Die Türkei gab den Kirchen Eigentum zurück, sogar der Armenischen Kirche. Recep Tayyip Erdogan, der langjährige Ministerpräsident und heutige Staatspräsident der Türkei, begrüßt Batholomaios stets als "ökumenischen Patriarchen", was ehedem verpönt, ja verboten war. Offenbar hat er erkannt, dass ein weltweit geachteter Kirchenpolitiker auch der Türkei Prestige bringt.

Das wichtigste Geschenk an die Griechen und ihre Kirche aber ist ein personelles Zugeständnis. "Erdogan hat griechischen Patriarchen in aller Welt die türkische Staatsbürgerschaft angeboten, ohne dass sie die eigene aufgeben müssten", erzählt Bartholomaios den Gästen. Das heißt, bei der nächsten Wahl sind auch sie wahlberechtigt, aktiv wie passiv. Der Sitz des Patriarchen ist gerettet.

Die Erfüllung des zweiten alten Wunsches des Patriarchen aber lässt auf sich warten. Bartholomaios möchte gerne das von der Regierung in Ankara geschlossene Priesterseminar auf der Insel Chalik wieder eröffnen. Er fürchtet, unter den in Griechenland erzogenen Patriarchen sei die ökumenische Tradition nicht so ausgeprägt, wie es für die Übernahme seines Bischofssitzes, des ersten unter gleichberechtigten ostkirchlichen Patriarchen, nötig wäre.

Annäherung zwischen Ost- und West

Der Besuch von Franziskus soll Bartholomaios den Rücken stärken und die erlahmte ökumenische Annäherung zwischen Ost- und Westkirche neu beleben. Franziskus ist erst der vierte Papst, der den Phanar besucht. Vor ihm waren Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. in den Phanar gekommen.

Ein bisschen gekränkt wirken wegen des großen Rummels um den ostkirchlichen Konkurrenten die Katholiken, eine kleine Minderheit in der Stadt. „Ziel der Reise ist es, mit dem Patriarchen das Andreas-Fest zu feiern“, sagt Bischof Louis Pelatre, ein Franzose, etwas indigniert. „Was an Zeit übrig bleibt, ist für die Katholiken“, schmollt er. „Das ist halt der Stil dieser Papstbesuche.“