Fünfeinhalb Jahre nach dem ersten Prozess um verspekulierte Milliarden scheint der zweite völlig straflos für fünf der sieben Angeklagten auszugehen. Das Wiener Schöffengericht glaubt jedenfalls, was die Herren auf der Anklagebank stets behauptet hatten: dass sie von den längst rechtskräftig vor allem wegen Untreue verurteilten Ex-Bawag-Chefs Helmut Elsner und dessen Vize, Johann Zwettler, bei den Milliardenspekulationen getäuscht worden sind.

Deshalb hat Richter Christian Böhm am Dienstag fünf Angeklagte freigesprochen. Falls Staatsanwältin Sonja Herbst, die zunächst keine Erklärung abgab, bis Freitag Mitternacht keinen Einspruch erhebt, wird das Urteil rechtskräftig. Es betrifft den Investmentbanker Wolfgang Flöttl, der die Bawag-Milliarden verspekulierte, die drei Bankvorstände Hubert Kreuch, Josef Schwarzecker und Christian Büttner und Wirtschaftsprüfer Robert Reiter.

Elsners frühere "rechte Hand", Peter Nakowitz, kommt jedenfalls vorläufig nicht ungeschoren davon. Er wurde zwar am Dienstag auch entlastet, jedoch schon zu Prozessbeginn zu drei Jahren Haft - davon ein Jahr unbedingt - verurteilt. Darüber muss das Oberlandesgericht Wien aber noch entscheiden. Glimpflich ist der Prozess für den Ex-Aufsichtsratsschef der Bawag, den früheren ÖGB-Finanzchef Günter Weninger zu Ende gegangen. Er wurde als einziger verurteilt, fasste für ein Bilanzdelikt einen Monat bedingt aus. "Das Urteil ist gerecht", sagte er anschließend. Richter Böhm begründete das Urteil nach 28 Verhandlungstagen damit, der Vorwurf der Untreue sei nicht haltbar gewesen, weil der Schädigungsvorsatz der Angeklagten gegenüber der Bank und damit die "subjektive Tatseite" gefehlt habe. Die Ex-Chefs Elsner und Zwettler hätten die Vorstandskollegen getäuscht.

Elsner ist "schockiert"

Elsner, der sich momentan nach Auskunft seiner Frau Ruth in einem bayerischen Spital einer Cortison-Behandlung unterzieht und der im zweiten Prozess als Angeklagter nie erschienen ist, soll über das Urteil "schockiert" sein. Der 77-jährige empört sich laut Anwalt Andreas Stranzinger vor allem darüber, dass auch im zweiten Prozess nicht geklärt worden sei, wo das Bawag-Spekulationsgeld tatsächlich gelandet sei. Elsner behauptet seit Langem, er besitze Dokumente aus den USA, wonach Flöttl nicht alles verspielt habe.

Deshalb wolle Elsner weiterkämpfen. Nach dem Urteil am Dienstag müsse auch ihm unterstellt werden, er habe die Bank nicht schädigen wollen. "Das schreit nach Wiederaufnahme des Verfahrens", meint Stranzinger. Er kritisiert, die Strafbehörde habe es sich zu leicht gemacht, viele Ungereimtheiten offen gelassen. Das Urteil sei ein Freibrief für Vorstände und Aufsichtsräte, bei Untreueverdacht sagen zu können: Mangels Sach- und Fachwissen könnten sie etwas nicht beurteilen. Deshalb gäbe es für sie dann "keine subjektive Tatseite".