Im Konflikt um das in der Türkei gestoppte syrische Passagierflugzeug hat Ankara laut Medienberichten an der Grenze aufgerüstet. Die türkische Armee verlegte nach einem Bericht der Zeitung "Hürriyet" vom Freitag mindestens 250 Panzer an die syrische Grenze. Ein türkisches Kampfflugzeug drängte am Freitag einen syrischen Hubschrauber ab, der sich der türkischen Grenze näherte. Der Hubschrauber habe die von Rebellen kontrollierte Stadt Asmarin nahe der Grenze bombardieren wollen, sagte ein türkischer Offizieller, der anonym bleiben wollte, am Freitag der Nachrichtenagentur AFP.

Die USA der Regierung stärkten indes Ankara den Rücken gestärkt. "Wir unterstützen die Entscheidung der türkischen Regierung, das Flugzeug zu untersuchen", sagte US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland am Donnerstag (Ortszeit). Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle will am Samstag zu einem "Solidaritäts"-Besuch nach Istanbul reisen.

Dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan zufolge enthielt die beschlagnahmte Fracht des Flugzeugs "Munition" und militärische Ausrüstung. Ein russischer Rüstungshersteller habe diese an das Verteidigungsministerium in Damaskus schicken wollen, sagte Erdogan. Die syrische Führung bestritt dies vehement und bezichtigte den türkischen Ministerpräsidenten der Lüge. Türkische Kampfflugzeuge hatten den Airbus A-320 der syrischen Fluggesellschaft SyrianAir am Mittwoch auf dem Weg von Moskau nach Damaskus zur Landung in Ankara gezwungen.

Die Regierung in Ankara zog nach einem Medienbericht einen NATO-Waffenexperten hinzu, um die Fracht zu untersuchen. Wie die türkische Tageszeitung "Takvim" unter Berufung auf das Außenministerium am Freitag berichtete, soll geprüft werden, ob unter den beschlagnahmten Materialien Teile sind, die zu Raketensprengköpfen montiert werden können.

Die regierungsnahe Zeitung "Yeni Safak" berichtete von zwölf Raketenteilen, die an Bord gefunden worden seien. In Russland seien die militärischen Güter auf dem Luftwaffenstützpunkt Tula, 200 Kilometer von Moskau entfernt, geladen worden. Erst danach habe die Maschine in Moskau Passagiere an Bord genommen.

In der Maschine befanden sich nach Informationen der russischen Zeitung "Kommersant" Radaranlagen für die syrische Raketenabwehr. Wie die Zeitung in ihrer Freitagsausgabe unter Berufung auf Quellen in der russischen Waffenexportindustrie berichtet, waren die Radar-Geräte in zwölf Kisten enthalten.

Nuland sagte, sie könne den Fund von militärischem Material an Bord nicht bestätigen. Allerdings sei die Versorgung der Regierung von Syriens Präsident Bashar al-Assad mit Waffen grundsätzlich besorgniserregend.

Die türkischen Planungen für eine mögliche Intervention im Nachbarland liefen auf Hochtouren, meldete "Hürriyet" unter Berufung auf Militärkreise. Demnach sind die Planer zu dem Schluss gekommen, dass sich die relativ flache Grenzgegend um die Stadt Akcakale, die vergangene Woche von Syrien aus beschossen wurde, gut für einen Panzerangriff eignen würde. Laut "Hürriyet" sehen die Überlegungen vor, einen Panzereinsatz durch Luftangriffe auf syrische Stellungen vorzubereiten.

Erdogan erklärte seit dem Tod von fünf Zivilisten beim Einschlag einer syrischen Granate in Akcakale am 3. Oktober mehrmals, die Türkei wolle keinen Krieg mit Syrien, müsse sich aber auf alle Eventualitäten vorbereiten. Laut "Hürriyet" werden an der Grenze inzwischen Stellungen für die türkischen Truppen ausgehoben.

Vor dem Hintergrund der Spannungen zwischen der Türkei und Syrien reist der deutsche Außenminister Westerwelle am Samstag zu einem "Solidaritäts"-Besuch nach Istanbul. Westerwelle werde von seinem Kollegen Ahmet Davutoglu empfangen, teilte das Auswärtige Amt in Berlin mit. Der Besuch habe eine "doppelte Botschaft", erklärte der Außenminister: "einmal die Solidarität und Partnerschaft mit unserem NATO-Partner Türkei, andererseits aber auch Besonnenheit und Deeskalation."

Bei Gefechten zwischen der syrischen Armee und Aufständischen kamen laut einer Zusammenstellung der Londoner Beobachtungsstelle für Menschenrechte allein am Donnerstag 92 Soldaten sowie 146 Zivilisten und Rebellen ums Leben. Bei einem Angriff auf eine Straßensperre in der Provinz Daraa wurden am Freitag 14 Soldaten und sechs Kämpfer der Revolutionsbewegung getötet. Die Protestbewegung hat für diesen Freitag zu Demonstrationen aufgerufen.