In einem womöglich wegweisenden Urteil hat das Landgericht Köln die Beschneidung von Buben aus religiösen Gründen als Straftat bewertet. In der Entscheidung verwies das Gericht darauf, dass der Körper des Kindes durch die in Islam und Judentum verbreitete Beschneidung "dauerhaft und irreparabel verändert" werde. Das Kölner Gericht hatte über die Strafbarkeit eines Arztes zu entscheiden, der einen vierjährigen muslimischen Buben beschnitten hatte. Die Richter befanden, die mit der Beschneidung einhergehende körperliche Veränderung des Kindes laufe dessen Interesse zuwider, "später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können". Das Erziehungsrecht der Eltern sei "nicht unzumutbar beeinträchtigt", wenn sie abwarten müssten, ob sich das Kind später für eine Beschneidung entscheide. Das Gericht kam aber auch zur Auffassung, dass der angeklagte Arzt freigesprochen werden muss: Der Mediziner habe sich in einem sogenannten Verbotsirrtum befunden. Dies bedeutet, dass ein Angeklagter ohne Schuld handelt, wenn ihm bei Tatbegehung die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Beim Vierjährigen war es zwei Tage nach der Beschneidung zu Nachblutungen gekommen. Die Mutter brachte ihr Kind zur Notaufnahme, der Fall wurde angezeigt.

"Integrationsfeindlich und diskriminierend"

Bei Muslimen und Juden stößt die Entscheidung auf Unverständnis und Empörung. Es sei ein "Minenfeld", in das sich das Kölner Gericht begeben hätte, berichtet die britische BBC. "Das Urteil empfinde ich als integrationsfeindlich und diskriminierend", sagte der Vorsitzende der Religionsgemeinschaft des Islam in Deutschland Ali Demir. Auch der Zentralrat der Juden sprach von einem "unerhörten und unsensiblen Akt". Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden, sprach von einem "beispiellosen und dramatischen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften". Die Beschneidung von neugeborenen Buben werde seit Jahrtausenden weltweit praktiziert, sagte Graumann: "In jedem Land der Welt wird dieses religiöse Recht respektiert." Die Vornahme von Beschneidungen aus religiösen Gründen zu "kriminalisieren", bedeute, "jüdisches Leben in Deutschland grundsätzlich für unerwünscht" zu erklären, kritisierte auch der "Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit laut Kathpress.

Als "wichtige und längst fällige Weichenstellung" wertet die "Initiative Religion ist Privatsache" das Kölner Urteil gegen religiös motivierte Beschneidung von Minderjährigen. Vorstandsmitglied Heinz Oberhummer erklärt: "Körperverletzung ist Körperverletzung und Kinder können von dem Genuss der Grundrechte nicht ausgeschlossen werden."