Seit dem großen Knall, der den weltweit zweitgrößten Autobauer in seinem Fundament erschütterte, ist noch kein Monat vergangen, doch ist bei Volkswagen seither nichts mehr, wie es einmal war.

Der nicht ganz freiwillige Rücktritt von Ferdinand Piëch (78) hatte den 200-Milliarden-Konzern kurzfristig in eine Schockstarre versetzt: Der große Schatten des Patriarchen, der - zuerst als Vorstandschef, dann als Aufsichtsratsvorsitzender - nahezu zwei Jahrzehnte lang die Fäden zog und über den Konzern wachte, schwebt immer noch wie eine Gewitterwolke über Wolfsburg.

Niemand wagt zu sagen, ob sich der "Alte" - wie er intern ehrfurchtsvoll genannt wurde - nach seiner offensichtlichen Niederlage schmollend zurückzieht. Oder aber im stillen Kämmerchen in Salzburg einen Gegenschlag vorbereitet. Denn über die Kapitalseite - die Familie Porsche/Piëch hält über die Porsche Holding SE mehr als 50 Prozent an Volkswagen - hat der frühere Alleinherrscher immer noch einen langen Arm.

Die Fronten sind geklärt

Jetzt aber ist man in Wolfsburg um Ruhe und Stabilität bemüht. Das Match hat Vorstandschef Martin Winterkorn, dessen Kopf Piëch forderte, für sich entschieden, die Fronten sind geklärt, die Positionen von Piëch und seiner Frau Ursula im Aufsichtsrat nachbesetzt.

Die Fragen, die man sich in der Branche trotzdem stellt: Wer zieht jetzt beim deutschen Autoriesen die Fäden? Wer sind die Köpfe, die Volkswagen in die Zukunft führen sollen? Und wo wohnt jetzt eigentlich die Macht?

Kandidat für die erste Reihe: Herbert Diess
Kandidat für die erste Reihe: Herbert Diess © OLIVER WOLF

Die erste Frage ist relativ einfach zu beantworten. Ohne Winterkorn geht derzeit gar nichts. Der durch den Konflikt gestärkte Schwabe kennt den Konzern wie seine Westentasche, er ist als Schlüsselfigur unverzichtbar, niemand anderem würde man die Führung der Zwölf-Marken-Krake zutrauen.

Das Problem: Winterkorn wird 68, sein Vertrag läuft Ende 2016 aus. Eine Verlängerung steht im Raum, wahrscheinlicher aber ist, dass der Topmanager an die Spitze des Aufsichtsrates wechselt. Was Piëch verhindern wollte.

Zeit für eine Neuordnung

Fakt ist, dass der Aufsichtsrat Winterkorn beauftragt hat, eine neue Konzernstruktur zu entwickeln, die bis dato von Piëch und Winterkorn hierarchisch geprägt war. Die Dezentralisierung könnte eine Aufteilung der Marken in zwei Gruppen vorsehen. Winterkorn muss aber auch die Weichen für eine anstehende personelle Erneuerung der Konzernspitze stellen.

Ein heißer Kandidat für die erste Reihe ist zweifellos Neuzugang Herbert Diess, sofern er die Herkulesaufgabe stemmt: Der 56-jährige Österreicher, der am 1. Juli die Nachfolge von Winterkorn als Chef der Kernmarke antritt, muss Volkswagen auf Drehzahlen bringen. Dem knallharten Sanierer und brillanten Techniker traut man das zu. Der ehemalige BMW-Vorstand wird sich dabei aber nicht mit der Belegschaft und deren mächtigem Betriebsratschef anlegen dürfen.

Bernd Osterloh sitzt derzeit bei Volkswagen am Hebel der Macht, auf der Kapitalseite ist Wolfgang Porsche zum einflussreichen Fädenzieher und Königsmacher aufgestiegen.