Was war das für eine Erleichterung, als Christian Kern Werner Faymann als Parteichef beerbte: endlich ein geistreicher, eloquenter, weltgewandter Kanzler, der die Dinge durchdenkt, bisweilen der Parteilogik trotzt und eine echte Ahnung von der Welt hat. Als Kern den Plan A vorlegte, schien der Beweis erbracht zu sein, dass er nicht nur ein Meister der geschliffenen Rhetorik ist, sondern auch den Mut zum Unkonventionellen aufbringt.

Ab Jänner ging es bergab. Wahrscheinlich aus intellektueller Überheblichkeit glaubte Kern, dass ihm die Obstruktionspolitik des Koalitionspartner nichts anhaben könnte. Die Fehleinschätzung holt ihn im Wahlkampf ein. Obwohl er viermal kürzer als Kurz der Regierung angehört, steht er heute als Kanzler da, der eigentlich wenig umgesetzt hat wie seine Vorgänger und andere Altpolitiker. Hätte er nur im Jänner Wahlen vom Zaun gebrochen. 

Kern hätte sich Kurz zum Vorbild nehmen sollen. Während der politische Jungstar die ÖVP total unter seine Kontrolle gebracht hat, hat Kern - vielleicht auch aus Intellektueller Abgehobenheit - nie vergleichbare Anstrengungen unternommen. Zumindest ist er an der Partei gescheitert, das zeigt sich exemplarisch an der Causa Silberstein. Statt ein kleines, kompetentes, schlagkräftiges Team seines Vertrauens um sich zu scharen, mit dem eine klare Linie festgelegt wird, ließ er die Zügel schleifen, wechselte die Einflüsterer, vollführte einen inhaltlichen Zickzackkurs. Alle Papiere und Enthüllungen kamen aus dem Innersten der Partei, eine Bankrotterklärung für den Parteichef. Jetzt ist es zu spät.

Kern ist, wie auch Peter Rabl in der Presse konstatierte, an sich gescheitert. Eine Regierung ist kein Konzern, wo man im stillen Kämmerlein eine Strategie ausbrütet, die man dann schrittweise ausrollt, und eine Partei ist kein lästiges Anhängsel, das man mit dem Verweis auf die proletarische Herkunft bändigt.

Kern geißelte in seiner Antrittsrede die Rituale der Politik - völlig zu recht. Um zu reüssieren, muss man die Mechanismen der Politik verstehen. Intellektuelle Brillanz und unternehmerische Erfahrung reichen nicht aus als Erfolgsrezept.