Zum ersten Jahrestag der Präsidentschaft von Donald Trump in den USA schreiben die Zeitungen:

"NRC Handelsblad" (Amsterdam):

"Nein, die Mauer entlang der Grenze zu Mexiko ist noch nicht errichtet. Die Russland-Untersuchung hängt wie ein Fallbeil über Trump. Und es vergeht keine Woche ohne Aufregung über einen Tweet oder eine andere Äußerung des Präsidenten. Betäubt vom Krach des permanenten Trump-Rummels kann man leicht das Wichtigste übersehen, nämlich dass Trump und seine Regierung auch effektiv sind.

Ja, die republikanische Reform der Krankenversicherung ist gescheitert. Und Trump unterminiert Senatoren seiner eigenen Partei, wie es ihm gefällt. Umgekehrt machen Republikaner, die nicht wiedergewählt werden können, ihrem Ärger über Trump Luft. Doch trotz eines Jahres voller Zank und Streit wurden eine Reihe von Zielen erreicht. Steuersenkung, weniger Regulierung und mehr Arbeitsplätze. (...) Nun ist das zwar nicht direkt das Verdienst der Republikaner, denn auch im letzten Amtsjahr Obamas wuchs die Wirtschaft stark und es wurden sogar noch mehr Jobs geschaffen. Doch die Steuerreform, die Trump Ende Dezember unterzeichnete, scheint dem Optimismus derzeit kräftig Auftrieb zu geben."

"Times" (London):

"Die USA und die Europäer müssen die transatlantische Allianz stärken, wenn der Westen seine moralische Bindekraft behalten will. (...) Nachkriegsinstitutionen wie die NATO sowie der Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen, die einst wichtige Brücken zwischen den Kontinenten waren, müssen reformiert und fit gemacht werden für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Im zweiten Jahr der Präsidentschaft von Donald Trump muss Amerika jedwedem Trend in Richtung Isolationismus widerstehen. Die Europäer, einschließlich Großbritannien, müssen demonstrieren, dass sie willens sind, ihren Kontinent zu verteidigen statt nur passive Konsumenten einer von Amerika gewährleisteten Sicherheit zu sein. Zu viele ziehen sich auf einen trägen Anti-Amerikanismus zurück. Vor allem aber muss Macht auf beiden Seiten des Atlantiks auf transparente Weise ausgeübt werden, innerhalb der Grenzen des Gesetzes, in Übereinstimmung mit den Wünschen der Wählerschaft und im Geist von Toleranz und Rechtschaffenheit. Das sind die fundamentalen Pflichten eines demokratischen Anführers, und sie gelten nicht allein für Trump."

"Neue Zürcher Zeitung":

"Ein Jahr später steht Amerika noch. Die Untergangsszenarien, die viele Medien und Kritiker beim Amtsantritt des neuen Präsidenten gezeichnet hatten, haben sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Die 'checks and balances' der USA weisen Donald Trump bis jetzt in seine Schranken; die Wirtschaft floriert wie seit Jahren nicht mehr. Doch auch das Szenario, auf welches das republikanische Establishment gehofft hatte, ist ausgeblieben: Trump hat sich nicht gemäßigt im Oval Office. Kandidat und Präsident unterscheiden sich kaum. Statt mit der Würde des Amtes zu wachsen, hat vielmehr er dem Weißen Haus seinen Stempel aufgedrückt.(...)

Statt die Gräben in der Gesellschaft zuzuschütten, verkörpert Trump sie. Kein frischgebackener Präsident der jüngeren Geschichte war so unbeliebt wie er. Dass er derart polarisiert, hat aber auch sein Gutes: Seit seinem Wahlsieg sind die Amerikaner politisch aktiver geworden. Vor allem die Progressiven sind aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht, in den sie mit der Wahl des ersten farbigen Präsidenten 2008 gefallen waren. Sie haben erkannt, dass Klimaschutz und Gleichberechtigung sich nicht per Autopilot erreichen lassen."

"Tages-Anzeiger" (Zürich):

"Im Vergleich zu den meisten seiner Vorgänger sieht Donald Trump Amerikas Rolle in der Welt jedoch radikal anders, weshalb er einen Rückzug ohne Rücksicht auf Verluste angetreten hat. Der 45. US-Präsident ist nicht mehr bereit, jene Verpflichtungen zu tragen, die ein Führungsanspruch mit sich bringt. (...)

Umso größer ist das Vakuum, das die USA auf ihrem Rückzug hinterlassen. Die Großmächte China und Russland können aus demokratischer Sicht keine Alternative sein. Und Europa ist in einem Endlosseminar mit sich selber beschäftigt, weshalb die USA - bei aller berechtigten Kritik an der amerikanischen Supermacht - die unverzichtbare Nation bleiben: Die Alternative zu einer internationalen Ordnung unter US-Führung, ist eine internationale Unordnung. Donald Trumps Nachfolger oder Nachfolgerin wird den angerichteten Schaden beheben müssen, falls das dann noch möglich ist."

"Nepszava" (Budapest):

"Das Jahr (...) bestand aus einer endlosen Abfolge von Lügen, kleinlichen Winkelzügen und großmäuligen Twitter-Botschaften. Eine Zeit lang konnte man noch meinen, dass Trump auf das Amt nicht vorbereitet war, dass ihn schlechte Berater umgaben und dass er früher oder später in eine präsidentielle Haltung hineinfinden würde. Es wollte ihm nicht gelingen, stattdessen machte er aus dem Weißen Haus einen Komödiantenstadel, in dem jeder gegen jeden geifert und - nachdem moralische Skrupel dort nicht mehr existieren - für jede Pose zu haben ist, um nur nicht den Job zu verlieren. (...) Das Land aber folgt Trump nicht auf dem Weg in die Verkommenheit. Es widersteht ihm. Die Kontrolle der präsidentiellen Macht durch die in der Verfassung festgeschriebenen Organe und Mechanismen funktioniert. Da sieht man, was ein gutes und ernsthaftes Grundgesetz bewirken kann."