Alle zahlen (fast) die gleichen Beiträge, aber es sind 21 Sozialversicherungsträger, die für die Verwaltung der Beiträge und die Auszahlung der Leistungen zuständig sind. Warum? Die Sozialversicherungspflicht ist aus den Berufen heraus entstanden, und die Zahler - Arbeitgeber und Arbeitnehmer - wollten auch über die Verwendung der Mittel entscheiden. Das nennt man „Selbstverwaltung“: In jeder Kasse gibt es Obmann und Vorstand, General- und Kontrollversammlung. Für jede Änderung der Leistungen braucht es einen Beschluss der Gremien. Fast 50 einzelne Beschlüsse sind zum Teil nötig, um eine einzige Maßnahme österreichweit zu beschließen.

Jetzt soll die Zahl der Sozialversicherungsträger reduziert werden, von 21 auf vier oder fünf: Eine Krankenkasse, oder, wie es neu heißt, „Gesundheitskasse“ für die Angestellten, eine Kasse für Bauern und Selbstständige, eine Kasse für Beamte und Eisenbahner, eine Pensionsversicherungsanstalt und die AUVA, falls diese doch bestehen bleibt. Das bedeutet: eine Vereinheitlichung der Leistungen und eine Vereinheitlichung der Zuständigkeiten. Von den bisher 21 Kassen waren zum Beispiel die Bauernkasse und die Eisenbahner für Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung zuständig, die Notariatskasse nur für die Pensionen, die Betriebskrankenkassen nur für die Krankenversicherung. Ein Sonderfall sind die öffentlich Bediensteten: Sie sind in der BVA kranken- und unfall-, nicht aber pensionsversichert, denn die Differenz zu ihren Beiträgen finanziert der Staat. Die Arbeitslosenversicherung gehört auch zum Bereich der solidarisch finanzierten Sozialversicherung, ist aber nicht selbstverwaltet, sondern wird vom Arbeitsmarktservice abgewickelt.
Wer will nun was? Und wem nützt die Reform?

Gleiche Leistungen für alle: Das ist ein lang gehegter Wunsch der Versicherten. Das Problem: Hebt man alle auf das höchste Niveau an, so wird das ziemlich teuer. Ebnet man alle auf einem niedrigeren Niveau ein, ist der Aufschrei derer, die etwas verlieren, vorprogrammiert.
Hier kommen auch die Ärzte ins Spiel, die mit jeder Kasse eigene Verträge haben. Vor 15 Jahren ist die praktisch fertig verhandelte Fusion von Bauern und Selbstständigen genau daran gescheitert.

Dennoch führt an diesem Ziel aus Gründen der Gerechtigkeit kein Weg vorbei, und daher wurden in der Krankenversicherung schon im Jahr 2017 viele Leistungen vereinheitlicht.

Geteilte Last: Für jeden Beschäftigten werden 7,65 Prozent seines Brutto-Einkommens für die Krankenversicherung abgeführt - je zur Hälfte finanziert von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 22,8 Prozent gehen an die Pensionsversicherung (12,56 % zahlen die Arbeitgeber, 10,25 % die Arbeitnehmer). Die Arbeitslosenversicherung (6 %) bezahlen beide zu gleichen Teilen, die Zahlungen an die betriebliche Vorsorgekasse (1,53 %) und die Unfallversicherung (1,3 %) nur die Arbeitgeber.
Letzteres ist der Grund für die Diskussion über die AUVA. Der Gesetzgeber übertrug ihr nämlich zusätzlich zur Finanzierung von Arbeitsunfällen auch andere Aufgaben wie die Unfallversicherung für 1,2 Millionen Schüler und Studierenden oder die teilweise Finanzierung der Behandlung von Freizeitunfällen, was die Arbeitgeber empört.

Allerdings: Die 500 Millionen, die sie sich laut Regierung ersparen sollen, müssten bei einer Überführung in die Krankenkasse zur Hälfte die Arbeitnehmer zahlen, ebenso wie im Zuge der Vereinheitlichung eventuell neu eingeführte Selbstbehalte, die ebenfalls mit 500 Millionen Euro veranschlagt werden. Macht eine Ersparnis von 250 Millionen für die Arbeitgeber und eine Mehrbelastung von 750 Millionen Euro für die Arbeitnehmer.

Selbstständige und Bauern müssen übrigens die Krankenversicherung (ebenfalls 7,65 %) zur Gänze selbst berappen und zahlen auch die Pensionsbeiträge (17-20 %) selbst. Die Beamten zahlen Beiträge, erhalten aber einen Ruhegenuss vom Staat, was die Zusammenführung mit einer Pensionskasse erschwert.

Synergien: Die Regierung erhofft sich durch die Zusammenlegung der Träger Einsparungen. Es wird auf das Erfolgsbeispiel der Fusion der Pensionsversicherungsanstalten von Arbeitern und Angestellten vor 15 Jahren verwiesen. Das habe zehn Jahre lang mehr gekostet, bringe jetzt aber Einsparungen. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger wiederum verweist auf die Fusion von Eisenbahnern und Bergbau, die die Verwaltungskosten von 3,2 auf 4 Prozent steigen ließ.
Die Verwaltungskosten seien in Österreich mit 2,2 Prozent des Gesamtbudgets sehr niedrig, argumentieren die Sozialversicherungen, in der Schweiz sei es das Doppelte. Jeder Euro sei ein Gewinn, kontert die Regierung - mit diesem Geld könnten noch mehr Leistungen finanziert werden.

Apropos Finanzen: Die Finanzlage der Kassen hängt von der Mitgliederstruktur ab - je höher die Einkommen, desto höher die Beiträge. Schon bisher gab es Ausgleichszahlungen, doch die Zusammenlegung lässt einzelne Kassen nun fürchten, dass ihnen noch mehr Geld weggenommen wird.

Einfluss und Macht: Damit sind wir beim Einfluss. Hauptverbandschef Alexander Biach spricht in Zusammenhang mit den Gebietskrankenkassen von einem „Haus mit neun Wohnungen, aber neun Eigentumswohnungen“. Gemeint: Die Gremien vor Ort sollen weiterhin das Sagen haben. Die Politik nennt das „Teilautonomie“. Um Umfang und Einfluss wird erbittert gerungen. Die Politik will mehr Mitsprache. Das Argument: Nur so könne das Angebot gut gesteuert werden, nur so könne die öffentliche Hand, die Mitzahler ist, vor allem bei den Spitälern und bei den Pensionen, die Kosten kontrollieren.
Das Gegenargument der Funktionäre: In keinem anderen OECD-Land wird in der Gesundheitsversorgung so viel von der Sozialversicherung abgedeckt wie in Österreich. Und zwar genau, weil eben nicht die Politik, sondern die Zahler - Arbeitnehmer und Arbeitgeber - darüber entschieden.

Was politisch befürchtet wird: dass (arbeitgeberorientierte) türkis-blaue Politiker (arbeitnehmerorientierte) rote Funktionäre ausbooten.