Für Wolfgang Sobotka war es ein Heimspiel. Im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) hat der Präsident des Nationalrats vor über vierzig Jahren wochenlang Akten studiert, für eine Seminararbeit über den Widerstand in Waidhofen an der Ybbs. Kommunisten, Katholiken, Sozialdemokraten, alle interessierten ihn, die sich nicht einfach den Nazis angeschlossen haben. Nun steht Sobotka in den Ausstellungsräumen des DÖW im Alten Rathaus in Wien. Es ist ein offizieller Besuch, also ist auch Rudolf Edlinger da, einst sozialdemokratischer Finanzminister unter Viktor Klima und heute Präsident des Archivs.

Die Verbindung des Nationalratspräsidenten zum Haus kannten die Gastgeber nicht. Die Geschichte, die Sobotka erzählt, ändert die Stimmung. Mit Akribie studiert der Besucher die Exponate der kleinen Schau, lässt sich alles erklären. Plötzlich hält er eine weiße Karte in die Höhe, einen „Wahlausweis“ für die Anschluss-Abstimmung. Laut liest er vor: „Wer das Stimmrecht ausübt, trotzdem er vom Stimmrecht ausgeschlossen oder Jude ist oder ihm bekannt ist, dass er von mindestens drei volljüdischen Großeltern abstammt, hat diesen Wahlausweis sofort an das Gemeindeamt zurückzusenden und hat von der Wahl fernzubleiben.“ Jeder hat diesen Zettel 1938 bekommen. Nichts gewusst zu haben vom rabiaten Rassenwahn der neuen Herren, ging nicht, schließt Wolfgang Sobotka daraus.

"Was kostet das?"

Die Ausstellung ist in die Jahre gekommen, bräuchte Erneuerung. „Was kostet das?“, fragt Sobotka. „Es gibt eine umfangreiche und eine schmale Variante“, erwidert Stephan Roth, der für die Bibliothek verantwortlich ist und den Gast führt. „Was ist die umfangreiche?“ „80 bis 90.000“, sagt Roth und nennt Details, „mindestens kostet es 30.000.“ „Dann machts die umfangreiche Variante, das Thema ist zu wichtig, um es halbherzig anzugehen“, sagt Sobotka ohne Zögern und verspricht, sich dafür einzusetzen, dass das Geld zusammenkommt.
Kassiber werden aus den Schränken geholt, Judensterne, Abzeichen für Kommunisten im Konzentrationslager, alles säuberlich aufgeklebt und verstaut, damit nichts vergilben oder verstauben kann. Die Exponate des Dokumentationsarchivs, Geschenke von Sammlern, von Überlebenden, von anderen Archiven, sind heute vom Zerfall bedroht. Dass noch nicht alles digitalisiert ist, wundert Sobotka, der selber noch unbefangen in den Originalen geblättert hatte, wie er erzählt.

Im Oberstock drängen sich die Bücher in engen, niedrigen Räumen. Sechs bis zehn Meter kommen jährlich dazu, erzählt Roth. Wohin damit? Linol- und Laminatböden zeugen von knappen Budgets. 475.000 Euro zahlt der Bund jedes Jahr für die Erhaltung und Pflege der Exponate und das Personal, dieselbe Summe legt die Stadt Wien drauf. Auf zwölf Planposten arbeiten 20 Leute, die auch drei Gedenkstätten betreuen müssen. Keine üppige Ausstattung. „Sie nennen uns ,kommunistische Tarnorganisation'“, sagt Edlinger, der dem DÖW seit 2003 vorsteht. Ihn kann das nicht erschüttern und die Namen der Träger, die die Homepage auflistet, sprechen eine andere Sprache.

Ob die Historikerkommission der FPÖ schon angefragt habe wie angekündigt? „Offiziell nicht“, sagt Roth. Parteichef Heinz-Christian Strache habe aber kürzlich in der „Pressestunde“ wieder sein Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet, erzählt er. Viel Zeit bleibt nicht mehr, im Herbst sollen ja schon erste Ergebnisse vorliegen. „Die FPÖ, aber auch die anderen Fraktionen müssen sich ihrer Geschichte immer wieder stellen, sonst wird sie uns regelmäßig einholen“, sagt Sobotka.