Für eine abschließende Bewertung ist es noch zu früh. Erst wenn alle Details auf dem Tisch liegen, wird man ermessen können, ob die türkis-blaue Koalition tatsächlich einen neuen Kurs in der Budgetpolitik einschlägt oder alles nur PR ist. Derzeit wird viel mit Zahlen und Statistiken  jongliert. Erst nach der für Mittwoch geplanten Budgetrede von Finanzminister Hartwig Löger weiß man Genaueres. Der Kleinen Zeitung liegen die groben Eckpunkte in Form einer von der Regierung ausgearbeiteten Punktation vor.

Kardinal Christoph Schönborn begrüßte in einer Reaktion in der "Pressestunde" die Sparpolitik der Regierung. Zugleich betonte er aber, dass gerade im Sozialbereich sicher proportional deutlich weniger gespart werden dürfe als in anderen Bereichen. "Sparen ist gut und notwendig, aber bitte nicht bei den Ärmsten", so Schönborn.

Bundeskanzler Sebastian Kurz spricht in einem informellen Telefonat mit der Kleinen Zeitung von einem „Budget der Veränderung“ und verweist auf drei Elemente, die einen Bruch mit der Budgetpolitik der vergangenen  Jahrzehnte darstellen. Zum einen werden Mittelstand, Familien und andere Gruppen steuerlich entlastet, ohne dass bestehende Steuern erhöht oder in einem anderen Bereich neue Steuern erfunden werden.

Budget weist erstmals seit 64 Jahren Überschuss auf

Zum anderen läute man das „Ende der bisherigen Schuldenpolitik“ ein. 2019 weist das Budget erstmals seit 64 Jahren einen Überschuss aus, anders als bei Karl-Heinz Grasser soll der ausgeglichene Haushalt keine Einmal-Veranstaltung, sondern zur Regel werden. Zum dritten werde „nicht mit dem Rasenmäher“ gekürzt. In den Bereichen Sicherheit, Forschung, Familien, Pflege gibt es ein Plus, dafür wird bei Flüchtlingen und Ausländern eine Milliarde eingespart. „Wir setzen um, wofür wir am 15. Oktober mit klarer Mehrheit gewählt wurden.“ Soweit der Kanzler.

Nicht gekürzt wird übrigens bei der Integration oder beim Arbeitslosengeld, bei der Kultur und beim Klimaschutz gibt es sogar ein schwaches Plus. Die Behauptung der SPÖ, wegen des Konjunkturaufschwungs wäre bereits 2018 ein Nulldefizit möglich gewesen, wird von der Koalition ins Reich der Phantasie verweisen. Das Gegenteil sei der Fall: Um 2,8 Milliarden Euro wären die Belastungen im heurigen Jahr höher, hätte man Rot-Schwarz fortgesetzt, heißt es in Regierungskreisen. 

Schönborn wandte ein, wenn etwa bei Langzeitarbeitslosen gespart wird, bringe das auch nicht jene Summen, die für die Budgetsanierung notwendig sind. Freilich sei das wesentlich leichter durchsetzbar als etwa Steuern von großen Konzernen einzufordern.

Der Kardinal mahnte weiters auch einen sorgsamen Umgang mit der Sprache ein und kritisierte das "Unwort" "Sozialschmarotzer". Schönborn: "Die Sozialschmarotzer sitzen sicher nicht in der Gruft", einer Obdachloseneinrichtung der Caritas in Wien.

Zuvor hatte "Greenpeace" eine radikale Trendwende und mehr Geld für Umwelt- und Klimaschutz gefordert. Die Klimabilanz Österreichs sei verheerend. Notwendig sei eine ökologisch-soziale Steuerreform, die einen verschwenderischen Umgang mit Energie und Ressourcen teuerer mache, gleichzeitig Arbeit weniger besteuere, erklärte Adam Pawloff, Klima- und Energiesprecher bei Greenpeace. Greenpeace trat zudem für den Abbau umweltschädlicher Subventionen ein, wie etwa die Mineralölsteuerbefreiung von Kerosin.

Zu den einzelnen Eckpunkten.

Flüchtlinge. In diesem Bereich soll, wie bereits von der Kleinen Zeitung exklusiv berichtet, ziemlich genau eine Milliarde Euro gespart werden. Wegen des Einbruchs bei den Flüchtlingszahlen (von 88.000 im Jahr 2015 auf 24.000 im Jahr 2017) muss um 330 Millionen Euro weniger bei der Grundversorgung ausgegeben werden. 260 Millionen sollen bei  AMS-Maßnahmen für Asylwerber gespart werden. 160 Millionen Euro soll die – von der EU in Frage gestellte – Indexierung der Familienbeihilfe an Einsparungen bringen. Die Neuaufstellung der Mindestsicherung für Flüchtlinge soll den Staat ab 2019 um 250 Millionen Euro entlasten. „Wir setzen bei den Nichtösterreichern den Sparstift an“, jubelt Vizekanzler Heinz-Christian Strache.

Sicherheit. Laut der vorliegenden Punktation fließt ungleich mehr Geld in die Sicherheit als bisher. Das Innenministerium darf sich über ein Plus von 250 Millionen Euro freuen, das Verteidigungsministerium erhält 2018 und 2019 um 150 Millionen Euro mehr. Für das Grenzmanagement werden zusätzliche 146 Millionen Euro veranschlagt, gesichert ist auch der Fortbestand des Sicherheitspakets in Höhe von 450 Millionen Euro. Im Verteidigungsminister zweifelt man die optimistische Sicht der Dinge an. Wichtige Investitionen müssten nun zurückgestellt werden.Vor allem der Anstieg der Personalkosten macht dem Heer zu schaffen.

Pflege. Bis 2022 gibt es um 860 Millionen Euro mehr für Pflege und Soziales. Eingerechnet sind die Mehrausgaben, die die Bundesländer durch den Wegfall des Pflegeregress leisten müssen. Beim AMS sind allerdings deutliche Kürzungen vorgesehen.

Bildung und Wissenschaft. Auch in diesem Bereich weist das Budget, wie bereits von der Kleinen Zeitung berichtet, ein kräftiges Plus auf. Für die Wissenschaft und die Forschung werden um 385 Millionen Euro mehr ausgegeben, die Finanzierungslücke für 2018 wird „annähernd geschlossen.“ Das Uni-Globalbudget macht 1,58 Milliarden Euro aus. Für die  Ausbildungspflicht werden 42,1 Millionen, für die Ausbildungsgarantie  37 Millionen  aufgewendet. Die Ausgaben für die Bildungskarenz werden um 20 Millionen aufgestockt. Bildungsminister Heinz Faßmann sieht keinen Grund zur Klage: "Ich  kann diesem allgemeinen Jammerdiskurs nicht zustimmen."

Einsparungen. Rund 2,5 Milliarden Euro werden im Gegenzug eingespart. Durch die Streichung der von der Vorgängerregierung beschlossenen Aktion 20.000 sowie des Beschäftigungsbonus wird das Budget um fast eine Milliarde entlastet. Auch in der Verwaltung und den aus- und nachgelagerten Agenturen (ÖBIB, Bundesrechenzentrum, Bundesbuchhaltungsagentur, etc) wird der Sparstift  angesetzt. Nur jede dritte Planstelle wird im öffentlichen Dienst nachbesetzt. Seit der Ära Schüssel ist der Personalstand im Bund massiv ausgeweitet worden. Gekürzt werden zahllose Förderungen, etwa bei den ÖBB.

Integration. Im letzten Jahr waren 92 Millionen Euro für den Bereich vorgesehen, nur 68 Millionen wurden abgerufen. Diese Summe ist in etwa auch künftig für Integrationsprojekte vorgesehen, heißt es von Seiten der Regierung. 

Billigere Flugtickets. Flugreisende, die in Österreich ihre Tickets kaufen, dürfen sich freuen. Durch eine Halbierung der Flugabgabe nimmt der Staat um 60 Millionen Euro weniger ein. 

Billigerer Mietverträge. Was schon lange debattiert wird, soll nun Realität werden. Die Mietvertragsgebühr soll komplett abgeschafft werden. Das führt zu einer Entlastung in Höhe von 60 Millionen Euro.

Billigere Hotels. Auf Druck der Hotel-Lobby wird die Umsatzsteuer auf Übernachtungen von dreizehn auf zehn Prozent abgesenkt. Ob die Hoteliers und Beherbergungsbetriebe die Einsparung an den Gast weitergeben, ist unklar.

Kultur. Entgegen den Befürchtungen gibt es nach Angaben der Regierung bei der Kultur doch kein Minus. „Wir legen sogar ein Schäuferl drauf“, so ein Insider. Wahrscheinlich liegt es daran, dass mit Gernot Blümel ein enger Vertrauter des Kanzlers für dieses Ressort zuständig ist. Auf diese Weise wird wohl großen Teilen der Kunst- und Kulturszene,  die der türkis-blauen Koalition misstrauisch gegenüberstehen, der Wind aus den Segeln genommen. 

Klimaschutz. Damit Österreich nicht die Klimaziele verfehlt, wird der Etat um 55 Millionen aufgestockt.

Arbeitslosengeld. Entgegen früheren Meldungen wird, beteuert die Regierung, beim Arbeitslosengeld nicht der Rotstift angesetzt zu haben. Beim AMS sind allerdings deutliche Kürzungen zu erwarten, von 1,94 auf 1,35 Milliarden. Die Regierung begründet dies mit dem Wegfall der unter Ex-Kanzler Christian Kern eingeführten Beschäftigungsmaßnahmen (Aktion 20.000, Beschäftigungsbonus).

Eine komplette Übersicht mit allen Details liegt frühestens nach der von Finanzminister Löger gehaltenen Budgetrede vor.