Keine Stangenware für Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Kiew: Um Österreich im Konflikt mit Russland auf seine Seite zu ziehen, hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko am Mittwoch bei einem Besuch des Bundespräsidenten die "Anschluss"-Karte ausgespielt. So wie Österreich vor 80 Jahren sehe sich die Ukraine heute einem Aggressor gegenüber, der das Völkerrecht breche.

"Es sind vier Jahre vergangen, seit die Ukraine einen Angriff seitens eines Nachbarstaates erleben musste, wie einst Österreich den Anschluss seitens Deutschlands", sagte Poroschenko mit Blick auf den Jahrestag, dessen das offizielle Österreich vorgestern mit einem großen Staatsakt gedacht hatte.

Den Komparsen bei Poroschenkos Inszenierung spielte ausgerechnet Kreml-Chef Wladimir Putin, der zeitgleich die Krim besuchte. Dies sei eine "äußerst gefährliche Provokation", empörte sich Poroschenko. Vier Tage vor der russischen Präsidentenwahl forderte er eine scharfe Reaktion der Weltgemeinschaft auf den dort geplanten russischen Urnengang, den er als "Possentheater" bezeichnete. Kiew werde darauf pochen, dass die Welt die auf der Halbinsel organisierten Wahlen nicht anerkenne. "Diese Anstrengungen werden dazu führen, dass die Krim-Annexion wieder abgebaut wird."

Eine vom ukrainischen Präsidentenpalast als Fragestellerin handverlesene Journalistin rang dann gleich auch Van der Bellen ein entsprechendes Bekenntnis ab. Nachdem er in seinem vorbereiteten Statement das Thema Krim umschifft hatte, musste er klarstellen, dass etwaige russische Wahlen auf der Krim rechtswidrig wären. "Das ist aus österreichischer Sicht eindeutig", betonte er unter Verweis auf das Völkerrecht.

Van der Bellen hatte das "K-Thema" wohl auch aus Rücksicht auf die für die Unterzeichnung eines Bildungsabkommens mitgereiste Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) ausgespart. Diese reagierte auf Journalistenfragen nach den Krim-Aktivitäten von FPÖ-Politikern mit ihrem Standardsatz: "Ich gehöre keiner Partei an". Außerdem sei sie in ihren Gesprächen nicht auf das Thema angesprochen worden. "Die Menschen in der Ukraine haben ganz andere Sorgen", fügte sie hinzu. Van der Bellen wurde da auf mehrmalige Nachfragen deutlicher und unterstrich, dass Österreich "keinen Zweifel" an seiner Position in der Krim-Frage lasse. "Auch die Position der Bundesregierung insgesamt ist klar", sagte er mit Blick auf die FPÖ-Minister. Man könne aber nicht verhindern, "dass Privatpersonen in die Krim reisen und dadurch missverständliche Signale aussenden".

Geschickt versuchte Poroschenko auch, seinen österreichischen Amtskollegen in der Frage der geplanten Blauhelm-Mission der Ostukraine festzunageln. Die Ukraine wäre bereit, Friedenstruppen in anderen Regionen aufzustocken, brachte er eine Entlastung des Bundesheeres auf dem Balkan ins Spiel. Van der Bellen ließ sich aber nicht aus der Reserve locken und betonte, dass eine "Substitution" zwar denkbar sei, man aber zunächst einmal die Modalitäten der UNO-Mission für die Ostukraine kennen müsse. Österreich werde eine Beteiligung "ernsthaft prüfen", wiederholte er die von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ausgegebene Devise.

Poroschenko gab sich jedenfalls große Mühe, seinen österreichischen Amtskollegen zu umgarnen. Gleich zwei Mal ließ er am Mittwochvormittag die Ehrengarde aufmarschieren und die Bundeshymne spielen, zunächst beim Denkmal für den unbekannten Soldaten, dann noch einmal vor dem Präsidentenpalast. Der Stärkung der bilateralen Bande sollte auch ein hoher Orden für den Umweltaktivisten Christoph Otto dienen. Der Global-2000-Projektleiter erhielt als erster Österreicher das Iwan-Mazepa-Kreuz für sein im Jahr 1995 begonnenes Engagement zur Rettung der schwer kranken "Tschernobyl-Kinder". "Er hat tausende Kinderleben gerettet", sagte Poroschenko anlässlich der Übergabe des Ordens. "Wir bedanken uns herzlich für jedes gerettetes Leben."

Van der Bellen wurde während seines Aufenthaltes in Kiew nicht müde, die engen bilateralen Beziehungen zu betonen. Er erklärte die Wirtschaftskrise in dem Land für beendet und lobte die pro-europäische Ausrichtung seiner Regierung. Das EU-Ukraine-Abkommen und die Visaliberalisierung würden zudem zeigen, "dass es möglich ist, in enger Zusammenarbeit konkrete positive Resultate für die Bürger zu erzielen". Doch bedingungslos auf die ukrainische Seite stellen will er sich nicht. Österreich habe seit Jahrzehnten ein "gutes Gesprächsklima" mit Russland, betonte Van der Bellen gegenüber den mitgereisten österreichischen Journalisten. Das solle auch so bleiben, denn: "Ein friedliches Europa wird es ja ohne Russland nicht geben."