Wer hat je Bilder gesehen, wie Werner Faymann, Christian Kern oder Sebastian Kurz aus ihrem dicken Dienstwagen aussteigen? Solche Aufnahmen sind eine Rarität, weil Heerscharen von Medienberatern darauf achten, ihre Chefs ins richtige Licht zu rücken. Und so bleiben die Limousinen - oder der SUV von Heinz-Christian Strache - 200 Meter früher stehen, damit Kanzler, Vizekanzler, Minister munteren Schrittes auf die Kameras zugehen - und nicht im fetten Auto vorfahren.

Unter Türkis-Blau hat die Inszenierung eine neue Qualität erreicht. Während früher Minister nach Gutdünken Interviews gaben, Kommentare ablieferten, sobald ihnen ein Mikrofon hingestreckt wurde, und so der Eindruck der großkoalitionären Kakophonie entstand, herrscht heute ein strenges Regime. Nach einem Masterplan wird jede Woche zumindest ein inhaltsschweres Thema „aufgespielt“. Diese Woche waren es die 2100 zusätzlichen Polizisten, zuvor Deutsch vor Schuleintritt, Familienbonus, Unibeschränkungen, Entlastung. Dem Bürger soll vermittelt werden, dass mit Hochdruck türkis-blaue Kernthemen abgearbeitet werden.

Minutiös geplante Medienauftritte 

Minutiös geplant werden auch die Medienauftritte der 16-köpfigen Mannschaft, wer welcher Zeitung ein Interview gibt, wer wann in die ZiB 2, die Pressestunde, ins „Journal zu Gast“ geht. Und vorbei sind die Zeiten, wo sich jeder beim Ministerrat einem journalistischen Spießrutenlauf unterziehen musste. Durch eine Kordel von den Medienvertretern separiert, tritt nur vor die Kamera, wer was zu sagen hat. Türkis-blaue Doppelauftritte sind die Regel, um Geschlossenheit nach außen zu dokumentieren.

Politischer "Kontrollfreak"

Die Fäden laufen bei Gerald Fleischmann, Kurz' medialer Allzweckwaffe, zusammen. „Message control“ nennt sich das neudeutsch. „Unter Kern und Mitterlehner machte jeder, was er wollte“, erzählt ein Insider. „Da erfuhren manchmal der Kanzler oder Vizekanzler erst aus der Zeitung, dass einer der Minister was gesagt hatte.“ Diese Kakophonie spiegelte die innere Zerrüttung der alten Koalition wider und brach dieser schließlich das Genick. Im Grunde genommen wird jetzt nachgeholt, was in Unternehmen gang und gäbe ist: eine Professionalisierung der Medienarbeit. Es entspricht auch dem Selbstverständnis des Kanzlers, der politisch ein Kontrollfreak ist, nichts dem Zufall überlässt, Unvorhergesehenes scheut, andererseits im Umgang mit Journalisten, die sich an die Spielregeln der Vertraulichkeit halten, einen offenen Diskurs pflegt. Da sei nur erinnert, dass Emmanuel Macron, der Inbegriff der Weltoffenheit, dem „Le Monde“ noch kein einziges (!) Interview seit Amtsantritt gegeben hat.

Doch in der Koalition regt sich Widerstand. „Es herrscht ein Angstregime vor“, enthüllt ein Insider. „Der Druck ist enorm, keine Fehler zu machen.“ Die jüngsten Turbulenzen um Liederbücher, Anti-ORF-Postings, die den Masterplan konterkarieren, hätten die Lage noch verschärft. Erschwerend kommt dazu, dass 15 der 16 Minister keine Regierungserfahrung besitzen - inklusive vieler Mitarbeiter. „Besser wäre es, wenn man den Leuten unter die Arme greift, statt sie bei Fehlern zu maßregeln.“