Die SPD entscheidet heute, Sonntag, auf einem Sonderparteitag in Bonn über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union. Während die SPD-Spitze um Parteichef Martin Schulz Koalitionsverhandlungen auf Grundlage der bisher erzielten Sondierungsergebnisse befürwortet, lehnen die Jusos, aber auch zahlreiche weitere Sozialdemokraten eine neue Große Koalition ab.

Zum Auftakt des SPD-Parteitags hat die Vize-Vorsitzende Malu Dreyer an ihre Partei appelliert, sich für Koalitionsverhandlungen mit der deutschen Union zu entscheiden und so Verantwortung zu übernehmen. Die Sondierungen hätten gezeigt, "dass wir mit sozialdemokratischen Herzensthemen viel bewegen können", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin am Sonntag in Bonn.

Kurswechsel verteidigt

SPD-Chef Martin Schulz hat seinen Kurswechsel in der Debatte um eine erneute Große Koalition in Deutschland verteidigt. "Das Mandat zur Regierungsbildung haben andere bekommen", sagte Schulz am Sonntag auf dem SPD-Parteitag in Bonn, der über Koalitionsverhandlungen mit der Union entscheiden soll. Deshalb sei seine Entscheidung, in die Opposition zu gehen, am Wahlabend richtig gewesen.

Das Scheitern der Jamaika-Gespräche sei ein "Wendepunkt" gewesen. Für ihn habe nie Zweifel daran bestanden, dass die SPD nach Auswegen aus dieser schwierigen politischen Lage suchen werde.

Zusätzliche Forderungen

Auf Drängen der Skeptiker in den eigenen Reihen will die SPD-Spitze allerdings mit zusätzlichen Forderungen in Koalitionsverhandlungen mit den deutschen Unionsparteien gehen. Die Parteiführung legte am Sonntag einen erweiterten Leitantrag für den Parteitag in Bonn vor, nachdem die mächtige SPD Nordrhein-Westfalen den Bundesvorstand unter Zugzwang gesetzt hatte.

In dem von der Antragskommission beschlossenen Leitantrag werden die bisherigen Sondierungsergebnisse in Teilen als "unzureichend" gewertet. An bestimmten Stellen müssten "wirksame Verbesserungen" erzielt werden, heißt es darin.

Forderungen, aber keine Bedingungen

Dazu gehöre eine "weitergehende Härtefallregelung" für den Familiennachzug von Flüchtlingen. Weiter heißt es: "Wir wollen das Ende der Zwei-Klassen-Medizin einleiten." "Geeignete Schritte" dazu seien eine gerechtere Honorarordnung für Krankenversicherte und die Öffnung der gesetzlichen Krankenversicherung für Beamte. Enthalten ist außerdem die Forderung, dass befristete Arbeitsverhältnisse die Ausnahme sein müssten. Eine der "geeigneten Maßnahmen" sei hier die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung.

Diese Punkte werden aber nicht als klare Bedingung genannt - und sind damit deutlich schwächer formuliert als in dem Vorstoß der nordrhein-westfälischen SPD. Juso-Chef Kevin Kühnert wies auch den erweiterten Leitantrag zurück. Der neu formulierte Antrag sei ein "ehrenwerter Versuch", doch was die SPD brauche, sei eine Brücke aus "Erneuerung und Vertrauensbeweisen" und "nicht aus weiteren Spiegelstrichen, denn an denen mangelt es uns nicht". 

CSU-Parteichef Horst Seehofer erwartet nach eigenen Worten eine Zustimmung des SPD-Parteitags am Sonntag zu Koalitionsverhandlungen mit der Union. Er erwarte ein "klares Votum" für Koalitionsgespräche, sagte Seehofer der "Bild am Sonntag". Die Gespräche zur Bildung einer neuen Großen Koalition in Deutschland könnten dann Anfang Februar abgeschlossen werden.

"Die neue Regierung kann dann in der ersten Märzhälfte, also deutlich vor Ostern, vereidigt werden", zeigte sich der CSU-Chef überzeugt. Damit könnten Union und SPD zeigen, dass sie ihrer Verantwortung für Deutschland gerecht würden.

Ausdrücklich lobte der bayerische Ministerpräsident SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles als Verhandlungspartnerin: "Andrea Nahles war während der Sondierungsgespräche eine starke und vor allem kenntnisreiche Verhandlerin. Sie hat immer wieder stabilisierend in die eigenen Reihen hineingewirkt." Nahles habe viele Forderungen für eine bessere sozialen Entwicklung durchsetzen können. "Damit liegt sie mit der CSU auf einer Linie", so Seehofer.