Genau drei Wochen vor der Wahl nimmt der Fernseh-Wahlkampf Fahrt auf. Sonntagabend trafen die Spitzenkandidaten der Parlamentsparteien und Peter Pilz auf Puls4 aufeinander. Corinna Milborn und Thomas Mohr führten durch den Abend und leiteten die Diskussion mit Christian Kern (SPÖ), Sebastian Kurz (ÖVP), Heinz-Christian Strache (FPÖ), Ulrike Lunacek (Grüne), Matthias Strolz (Neos) und Peter Pilz (Liste Pilz). Diskutiert wurde über das vorzeitige Ende der Koalition, die Umfärbung der ÖVP, Flüchtlinge oder Mieten. In vielen Punkten gab es Einigkeit von ÖVP, FPÖ und NEOS. 

Anfangs wird ÖVP-Chef Sebastian Kurz ins Visier genommen. „Wir hatten einen schwarzen Betonblock, an dem jede Reformidee gescheitert ist. Diesen türkis anzustreichen, ist nicht genug“, schimpft Peter Pilz. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache legt nach: „Sich vor der Wahl zu drehen, ist nicht glaubwürdig. Bei SPÖ und ÖVP ist dramatisch viel schiefgelaufen“, sagt Strache, der ein Ende des „rot-schwarzen Verwaltungsspecks“ fordert. Omnipräsent ist die Warnung vor einer schwarz-blauen Koalition. „Wenn Sie beide an die Macht kommen, profitieren nur die Reichen“, sagt Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek in Richtung Kurz und Strache. Noch heute würde Österreich unter der „Korruption in den Jahren 2000 bis 2006“ leiden, geht sie mit Ex-Parteifreund Pilz, der sich als Aufklärer positioniert, d’accord.

"Völlig unrealistische Milliardenversprechen"

SPÖ-Chef Christian Kern kritisiert die „völlig unrealistischen Milliardenversprechen“ von ÖVP, FPÖ und Neos. „Ich schlage Sie für den Mathematik-Nobelpreis vor“, sagt er angriffslustig. Auch er, Kern, stehe für Veränderung. „Aber es sollen alle etwas davon haben, nicht nur die Großspender.“ Der SPÖ-Chef kündigt zudem an, „nächste Woche alle Spenden offenzulegen“.

Schwarz-Blau-Pinke Harmonie bei erster TV-"Elefantenrunde"

Neos-Chef Matthias Strolz erklärt sich zur „Stimme der Vernunft“ und legt Lösungen vor. So fordert er die Abschaffung der kalten Progression, wie sie auch die ÖVP verspricht. „Sind Sie bereit, das noch im Oktober zu beschließen?“, fragt er Kurz, der jedoch „keine budgetrelevanten Beschlüsse kurz vor der Wahl“ will. Der ÖVP-Chef, der auffällig oft mit Strache auf Linie ist, moniert „gegenseitiges Anpatzen“, teilt aber selbst ordentlich aus. Und verteidigt wie immer seine „konsequente Haltung in der Flüchtlingsfrage“. Gegen Ende der Diskussion regt der politische Islam auf. Strolz: „Da haben wir viel zu lange weggeschaut.“ Kern und Strache kritisieren das Islamgesetz, das Kurz verteidigt, als „völlig unbrauchbar“.

In der Diskussion verschiedener Sachthemen zeigt sich eine auffällige Harmonie zwischen ÖVP, FPÖ und teilweise auch den NEOS auf der einen und SPÖ, Grünen und Liste Pilz auf der anderen Seite. In der Frage der Erbschaftssteuer war dies ebenso wie beim Flüchtlingsthema, bei Mietobergrenzen, in der Frage einer Maschinensteuer oder beim Thema "christliche Leitkultur".

Die "Elefantenrunde" zum Nachlesen:

22.36 Uhr - Der Christkindlmarkt

"Brauchen wir eine christliche Leitkultur?", lautet die nächste Ja/Nein-Frage. Kurz und Strache sind die einzigen, die das bejahen. Lunacek betont, dass "Religion Privatsache" sei. Strache spricht "Fehlentwicklungen", für die auch Kurz als Integrationsminister verantwortlich sei. "Sie waren jetzt sieben Jahre lang verantwortlich." Strache redet sich in Rage. "Es ist ja ein Wahnsinn, dass wir überhaupt darüber diskutieren, ob ein Christkindlmarkt noch so heißen darf." Kurz verteidigt seine Politik, er habe das "Thema islamische Kindergärten aufgedeckt". Kern fordert eine sensible Diskussion, "wir haben hier zwei Parteien, die das zu ihrem politischen Lebensthema gemacht haben". Pilz stimmt zu, warnt aber vor dem Einfluss des politischen Islams in Österreich. "Und der Herr Innenminister schützt diese aus der Türkei gesteuerten Moscheenvereine." Das Islamgesetz sei ein "Clownmaskenverbot". Strolz betont, dass beim "politischen Islam" viel zu lange weggeschaut wurde. Kurz verteidigt seine Linie und sieht die anderen auf diese einschwenken.

22.05 Uhr - Keine Einigung beim Thema Mieten

Wenig Konsens finden die Diskutanten auch beim Thema Mietpreise. "Es gibt jene, die auf der Seite der Mieter stehen und jene, die auf der Seite der Immobilienspekulanten stehen", sagt SPÖ-Chef Kern. Kurz kritisiert, dass viele Wohnungen leerstehen würden. Pilz gesteht, dass er im Gemeindebau wohnt, betont aber, dass er monatlich 300 Euro spende um die niedrige Miete auszugleichen.

21.39 Uhr - Das Thema Flüchtlinge

Gleich hohe Sozialleistungen für Flüchtlinge als nächste Ja/Nein-Frage.  Nein von Strache und Kurz. Ja von Strolz. Kern, Pilz, Lunacek: Jein. Die unvermeidbare Debatte mit bekannten Positionen zum Thema Flüchtlinge folgt. Kurz und Strache kommen mit ihren bekannten Positionen. Kern kritisiert: "Hören wir auf mit diesem Thema politisches Kleingeld zu wechseln." Kurz verteidigt wortreich seine Flüchtlingspolitik. Pilz versucht den Redefluss zu stoppen. "Herr Kurz, Sie sind hier nicht bei der Jungen ÖVP."

21.21 Uhr - "Strache der neue Grasser"

Pilz schießt wieder gegen Schwarz-Blau. "Ich möchte nicht, dass sich die Jahre 2000 bis 2006 wiederholen", warnt der Ex-Grüne und "Kurz der nächste Schüssel und Strache der neue Grasser wird". Noch heute würde das Land darunter leiden. "Herr Strache, wollen Sie wirklich etwas zum Thema Korruption sagen?", fragt Moderatorin Milborn. Was folgt, ist ein Wortgefecht über die Spielregeln und die Redezeit in der Diskussion.

21.14 Uhr - "Mathematik-Nobelpreis"

"Wenn Sie beide an die Macht kommen, profitieren nur die Reichen", sagt Lunacek in Richtung Kurz und Strache. Dieser kommt zurück auf das Thema Hypo. Hier hätten alle Parteien Fehler gemacht, sagt der FPÖ-Chef. Kern warn erneut vor Schwarz-Blau und kritisiert die versprochenen Milliardenentlastungen der anderen Parteien. "Ich schlage Sie für den Mathematik-Nobelpreis vor." Sowohl Kurz als auch Strolz sprechen das Thema Spenden an und betonen ihre Transparenz. Kern kündigt an, "nächste Woche alle Spenden" offenzulegen. Und in Richtung Kurz: "Sie reden ständig vom Anpatzen und werfen selbst im Glashaus mit Steinen."

20.57 Uhr - Steuern und Vorwürfe

"Bei uns zahlen Millionäre und Konzerne keine Steuern", sagt Pilz. "Wenn die reichsten keine Steuern zahlen, müssen andere Steuern zahlen." Der Listengründer wirft Kurz Politik für Reiche und Unternehmer vor. "Ich kann denen nur raten: Zeichnen Sie politische Anleihen von Sebastian Kurz." Strolz kann das nicht nachvollziehen: "Ich weiß nicht, wo Sie Wirtschaft studiert haben. Wahrscheinlich an der Karl-Marx-Universität." Der Neos-Chef fordert die Abschaffung der kalten Progression, wie auch im ÖVP-Programm vorgesehen. "Sind Sie bereit, das noch im Oktober zu beschließen?", sagt er zu Kurz. Der will keine budgetrelevanten Beschlüsse wenige Tage vor der Wahl. Pilz und Kurz werden heute keine Freunde mehr. "Ich habe Wirtschaft studiert, Sie haben die ÖVP gelernt", sagt der eine zum anderen.

20.48 Uhr - Die Hypo-Milliarden

Strache schießt sich weiter auf die rot-schware Koalition ein. "Sie sind nicht bereit, die wirklichen Probleme zu erkennen", sagt der FPÖ-Chef in Richtung Christian Kern. "Sie ziehen den Menschen mit Höchststeuern das Geld aus der Tasche." Kern schlägt zurück und verweist auf die Hypo und "20 Milliarden Euro, die die FPÖ in Kärnten" versenkt habe. Kurz wirft den anderen "gegenseitiges Anpatzen" vor. "Die Aufgabe der nächsten Regierung muss es sein, Steuern zu senken", sagt der ÖVP-Chef.

20.41 Uhr - "Die oberen Zehntausend"

Kurz erklärt, dass es viele andere Einsparungsmöglichkeiten gebe, etwa bei Leistungen für Flüchtlinge, den Sozialversicherungsträgern etc. Lunacek betont, dass es um die "oberen Zehntausend" geht, die sollten mittels Erbschaftssteuer "einen fairen Beitrag" leisten. Strolz holt aus und will keine neuen Steuern. Die Fördersysteme in Österreich seien "Muster institutioneller Korruption", so Strolz. 

20.37 Uhr - Erbschaftssteuer

Dreimal ja (Kern, Lunacek, Pilz) und dreimal nein (Kurz, Strache, Strolz) bei der ersten Taferlfrage zum Thema Erbschaftssteuer. Mit der Grunderwerbssteuer gebe es ohnehin so etwas, argumentiert Strache und fordert "Abbau des rot-schwarzen Verwaltungsspecks" und eine Senkung von Lohn- und Einkommenssteuern. Kern verteidigt seinen Vorschlag für eine Erbschaftssteuer und eine striktere Konzernsteuer. "Wir wollen das es die gleichen Chancen für alle gibt." 95 Prozent der Österreicher sollten entlastet werden.

20.22 Uhr - Frage der Glaubwürdigkeit

Kurz verteidigt seine Entscheidung, er habe versucht "die Stärken der ÖVP mit Quereinsteigern zu verbinden", sagt der ÖVP-Chef. Strache legt gleich nach und beklagt den Schwenk von Kurz in der Flüchtlingsfrage. "Sie haben keine Glaubwürdigkeit. Vor der Wahl sich zu drehen, ist nicht genug", sagt Strache. Kern spricht von "Inszenierungen im großen Stil". Von "Veränderungen" sollten alle etwas haben, sagt der SPÖ-Chef. Auch Ulrike Lunacek kritisiert Kurz und warnt vor "Schwarz-Blau". Strolz erzählt über die Gespräche mit Sebastian Kurz, eine Wahlplattform nach dem Vorbild von Emanuel Macron in Frankreich aufzustellen. Diese seien gescheitert, jetzt setzte er eben auf eine Allianz mit Irmgard Griss.

20.24 Uhr - "Schwarzer Betonblock"

Peter Pilz ist Kurz "irgendwie schon dankbar" für Neuwahlen, es sei die Zeit für "eine Richtungsentscheidung" in Österreich. „Wir hatten einen schwarzen Betonblock, an dem jede Reformidee gescheitert ist", sagt Pilz. Diesen Türkis anzustreichen sei nicht genug. Auch Strache attackiert Kurz und auch die SPÖ. "Die Verantwortung liegt bei SPÖ und ÖVP. Da ist dramatisch viel schiefgelaufen in den letzten Jahren."

20.20 Uhr - Kurz gegen Kern

Kurz verteidigt zu Beginn seine Entscheidung, Neuwahlen ausgerufen zu haben. "Es war notwendig für Veränderung zu sorgen", sagt Kurz. Kern erzählt, wie "der ÖVP-Obmann und seine Helfer die Koalition unterminiert haben" und greift Kurz direkt an. "In vielen Fragen gab es massive Meinungsunterschiede", sagt Kurz.

Wie auch im Parlament müssen die Kandidaten in der Puls4-Wahlarena Farbe bekennen und sich bei den Tafelfragen für JA oder NEIN entscheiden, kündigte der Privatsender an. In einem sechsfachen Split-Screen erhalten die ZuschauerInnen so einen schnellen und direkt vergleichbaren Überblick zu den Positionen der KandidatInnen bei wichtigen Fragen. Drei Wochen vor der Wahl sind die direkten Vergleiche der Kandidaten wahlentscheidend. Vor allem die SPÖ hofft, dass Christian Kern in den direkten Konfrontationen mit Sebastian Kurz, der in den Umfragen weit voran liegt, noch Boden gutmachen kann.