Die Union und Kanzlerin Angela Merkel gehen als klare Favoriten in die deutsche Bundestagswahl am Sonntag. Letzte Umfragen bestätigten am Freitag den großen Vorsprung von CDU und CSU, die aber mit Verlusten gegenüber dem Ergebnis von 2013 rechnen müssen. Die SPD könnte ein historisch schlechtes Resultat einfahren, die AfD aus dem Stand als drittstärkste Kraft in das Parlament einziehen.

Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer demonstrierten bei einer gemeinsamen Veranstaltung in München Einigkeit. Mit Blick auf den Streit mit der Schwesterpartei in der Flüchtlingspolitik bekräftigte Merkel: "Was 2015 war, das darf, das soll, das wird sich nicht wiederholen."

Pfiffe und Trillerpfeifen

Auf den Münchner Marienplatz kamen neben zahlreichen Anhängern auch viele Gegner der Kanzlerin, die mit Trillerpfeifen und Hau-Ab-Rufen störten. Die Kanzlerin reagierte kühl: "Mit Pfeifen und mit Brüllen wird man die Zukunft Deutschlands mit Sicherheit nicht gestalten." Immer wieder hatten der AfD nahe stehende Gegner von Merkels Flüchtlingspolitik Auftritte der CDU-Chefin im Wahlkampf gestört.

Pickerl mit der Aufschrift "Das ist nicht meine Kanzlerin" wurden verteilt
Pickerl mit der Aufschrift "Das ist nicht meine Kanzlerin" wurden verteilt © AP

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz versuchte mit einer klaren Abgrenzung zu Merkel und harten Worten gegen die AfD seine Anhänger zu mobilisieren. "Die nächsten vier Jahre dürfen keine vier Jahre des Stillstands und der Lethargie werden", sagte Schulz auf dem Berliner Gendarmenmarkt. Deutschland brauche einen Bundeskanzler, der den Mut habe, die Zukunft des Landes zu gestalten. Die Hoffnung auf einen Sieg wollte Schulz trotz des Umfragerückstands nicht begraben. "Da ist alles möglich", sagte er mit Blick auf die vielen Unentschlossenen.

Schulz schießt sich auf AfD ein

Schulz schoss sich auf die rechtspopulistische AfD ein und bezeichnete sie als "Partei der Hetzer". Erstmals seit 1945 könnte künftig auch "die Sprache der Totengräber der Demokratie" im Parlament ertönen. Die SPD werde sich dagegen stemmen.

Die Grünen-Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir feierten am Freitag in einem früheren E-Werk in Berlin-Mitte eine Pasta-Party. "Wer will, dass dieses Land gerecht und ökologisch wird, dass dieses Land zusammenhält, der wählt Grün", sagte Göring-Eckardt. Sie betonte neben der Umweltpolitik besonders das Thema soziale Gerechtigkeit und rief zum Kampf gegen Kinderarmut auf. Die beiden begannen einen "Wahl-Marathon", der sie innerhalb von 42 Stunden durch ganz Deutschland führen sollte.

Für eine sozialere Politik in Deutschland warb auch Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht auf dem zentralen Wahlkampfabschluss ihrer Partei am Berliner Alexanderplatz. Nur wenn die Linke stärkste Oppositionskraft bleibe, "werden sie sich diese ganzen sozialen Sauereien wie die Rente mit 70 nicht trauen", sagte sie.

Rekordbeteiligung bei "Wahl-O-Mat"

Die Bundeszentrale für politische Bildung vermeldete indes bei der Nutzung des "Wahl-O-Mat" eine Rekordbeteiligung. Der Online-Test, mit dem die Wähler ihre Differenzen oder Übereinstimmungen mit politischen Parteien überprüfen können, sei bereits 13,3 Millionen Mal verwendet werden, teilte die Bundeszentrale mit. Damit übertrifft die Zahl bereits jetzt die Nutzung des "Wahl-O-Mat", der zur Bundestagswahl 2013 angeboten worden war.

Letzte Meinungsumfragen der Forschungsgruppe Wahlen sowie der Institute Forsa und Emnid sahen die CDU/CSU mit 35 bis 36 Prozent klar in Front, aber deutlich schwächer als die 41,5 Prozent vor vier Jahren. Die SPD muss demnach am Sonntag mit 21,5 bis 22 Prozent rechnen, was ihr bisher schlechtestes Ergebnis überhaupt wäre.

Die AfD kann sich laut diesen Umfragen mit elf Prozent Hoffnungen auf Platz drei machen. Für die Linkspartei wurden zwischen 8,5 und zehn Prozent vorhergesagt, für die FDP zwischen neun und zehn Prozent. Die Umfragewerte der Grünen lagen zwischen sieben und acht Prozent. Über eine parlamentarische Mehrheit würde allen diesen Umfragen zufolge neben einer großen Koalition nur ein Jamaika-Bündnis aus CDU/CSU, Grünen und FDP verfügen.