Mehr Subsidiarität und eine lückenlose Sicherung der EU-Außengrenzen bilden die europapolitischen Schwerpunkte des ÖVP-Wahlprogramms. Außenminister und ÖVP-Chef Sebastian Kurz will diese beiden Punkte neben dem Abschluss der Brexit-Verhandlungen und den Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen auch zu zentralen Themen des österreichischen EU-Vorsitzes im zweiten Halbjahr 2018 machen.

Kurz schwebt dabei ein "Kurswechsel in der EU" und ein "Subsidiaritätspakt" vor, wie er am Freitag bei einem Hintergrundgespräch vor Journalisten erklärte. Ziel: Öffentliche Aufgaben sollen möglichst bürgernah auf der Ebene der Nationalstaaten geregelt werden. Erst wenn ein bestimmtes Problem zu groß ist oder dort nicht gelöst werden kann, wird die Regelungskompetenz - eine Ebene drüber - von der EU übernommen. Infrage dafür kommen laut Kurz vor allem die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, der gemeinsame Schutz der Außengrenzen sowie Fragen des Wettbewerbs und internationalen Handels. Sozial-, Gesundheits-, Gesellschafts- und Familienpolitik sollen hingegen nationale Angelegenheit sein. "Dort wo kein Mehrwert durch europäische Regelungen entsteht, sollen EU-Kompetenzen nicht ausgedehnt werden", sagte der Außenminister. Es brauche eine "Fokussierung auf zentrale große Fragen".

14 Milliarden Euro weniger durch Brexit

In Sachen Brexit plädierte der Außenminister dafür, eine "erträgliche Situation" für alle Beteiligten zu schaffen. Europa brauche die Zusammenarbeit mit Großbritannien. "Die Verhandlungen werden hart und schwierig." Kurz erwartet einen Abschluss der Austrittsgespräche während Österreichs EU-Vorsitz. Durch den Brexit werde die EU 12,8 Prozent weniger Bürger haben und 14 Milliarden Euro weniger an Beiträgen einnehmen. "Unser Ziel muss sein, dass es keine Mehrbelastung für die Nettozahler gibt." Kurz sprach sich für einen sparsameren Umgang mit EU-Geldern aus und nannte die Redimensionierung des öffentlichen europäischen Dienstes und die Zusammenlegung der beiden EU-Parlamentssitze in Brüssel und Straßburg als Beispiel.

Mit dem Wahlkampfauftakt in der Wiener Stadthalle geht die ÖVP am Wochenende in die Intensivphase des Wahlkampfs. Um die 10.000 Unterstützer und Anhänger werden zu der Parteiveranstaltung, die nach dem Vorbild von US-Parteikonventen orchestriert werden soll, erwartet. Sonntag und Montag steigt Kurz  in die TV-Konfrontationen ein, am Mittwoch präsentiert der schwarze Spitzenkandidat dann den dritten und letzten Teil des ÖVP-Wahlprogramms mit dem Titel "Ordnung und Sicherheit".

Fragen an Trump?

Welche Frage wollen die Spitzenkandidaten der NR-Wahl US-Präsident Donald Trump in ihrem ersten Telefonat als Bundeskanzler stellen? Christian Kern (SPÖ) und Ulrike Lunacek (Grüne) interessiert das Klimaabkommen, Heinz-Christian Strache (FPÖ) die diplomatischen Beziehungen und Matthias Strolz (Neos) das US-Gefängnissystem.

Sebastian Kurz (ÖVP) wiederum will Trump einen Gipfel mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Österreich vorschlagen. Der ÖVP-Chef  schreibt in seiner schriftlichen Antwort auf eine Anfrage der APA, er möchte "Trump mit Russlands Präsidenten Putin gerne aktiv anbieten in einem Gipfeltreffen die großen Herausforderungen der int. Politik im neutralen Österreich zu besprechen".

Kern will über Klimaabkommen reden

"Wann nehmen Sie Ihre Entscheidung zurück, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen?", will dagegen Bundeskanzler Kern vom US-Präsidenten wissen. Fast wortgleich äußert sich die grüne Spitzenkandidatin Lunacek. FPÖ-Chef Strache hat dagegen die bilateralen Beziehungen zwischen Wien und Washington im Blick: "Wie werden wir gemeinsam unsere diplomatischen Beziehungen verbessern?" NEOS-Chef Strolz würde fragen, was Trump zur Senkung der Gefangenenrate und der Reform des US-Gefängniswesens zu tun gedenke.

Eine klare Tendenz erkennen lassen die Spitzenkandidaten bei der Frage, ob Trump oder der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un in der aktuellen Krise um Nordkorea unberechenbarer sind. "Das nordkoreanische Atomprogramm ist der einzige Garant, den Kim Jong-un für das Überleben seines Regimes hat. Das macht ihn gefährlicher", schreibt Strolz. Lunacek optiert ebenso für "Kim Jong-un und sein diktatorisches Regime", aber auch "Trumps Eskalationsstrategie" sei besorgniserregend. Kern und Kurz verweisen auf die Rechtsbrüche durch Kim, Strache prangert dessen "Politik der Abschottung und militärischen Zuspitzung" an.

Brennpunkt-Thema Migration

Bei der Frage, ob Klimawandel oder Migrationskrise das drängendere globale Problem sind, wollen nur Blau und Grün eine Entscheidung treffen. "Die anhaltende Migrationskrise in Europa sowohl aus Asien als auch aus Afrika", antwortet Strache. "Klimawandel ist drängendstes globales Problem und eine bedeutende Fluchtursache", meint dagegen Lunacek. Für Kurz sind beides drängende globale Fragen, und es brauche jeweils "einen dringenden Systemwechsel". Kern und Strolz betonen, dass die beiden Probleme "eng" zusammenhängen. "Beides sind gewaltige Herausforderungen für die nächsten Jahrzehnte", sagt der Kanzler. Nachsatz: "Illegale Migration stoppen ist kurzfristig erreichbar."

Für die Aufstockung der Auslandseinsätze des Bundesheeres machen sich nur Lunacek und Strolz stark. Die Grüne Spitzenkandidatin wünscht sich eine Beteiligung an einer diskutierten UNO-Blauhelmtruppe für die Ostukraine zum Schutz der OSZE, der NEOS-Chef will österreichische Soldaten nach Mali, Sudan, Südsudan sowie später in die Zentralafrikanische Republik und die Demokratie Republik Kongo schicken. Strache sieht wegen der schlechten Budgetlage des Heeres "keinen Handlungsspielraum", Kern und Kurz verweisen darauf, dass Österreich derzeit schon 1.000 Soldaten weltweit im Einsatz hat. Wir werden das "Niveau halten", ergänzt der Kanzler.

Rechte Parteien am Vormarsch?

Abschließend sollten die Spitzenkandidaten noch die Frage beantworten, ob sie den Vormarsch rechtspopulistischer Parteien nach den jüngsten Wahlen als gestoppt ansehen und was der Hauptgrund dafür sei. Kurz lässt die Frage aus, Kern antwortet, dass die "Rechtsdemagogen" bei einigen Wahlen nicht so viel gewonnen hätten wie befürchtet, das Problem aber "nicht erledigt" sei. Lunacek spricht von einem "Dämpfer" für die Rechtspopulisten und macht die "klare Pro-EU-Position" als Hauptgrund aus. "Rechtspopulistische Parteien werden immer wieder einmal an Stärke gewinnen und verlieren", schreibt dagegen Strolz. Und Strache fühlt sich angesprochen: "Was verstehen Sie unter 'Vormarsch rechtspopulistischer Parteien'? Die FPÖ? Dann sicher nein."