Im ersten Halbjahr hat er jenes Thema forciert, das wesentlich zu seinem Wahlsieg im Dezember beigetragen hatte: Die Europapolitik. Mit Ausnahme Liechtensteins besuchte er alle Nachbarländer Österreichs. Selbst Ungarn und Tschechien hätten ihm dabei einen "herzlichen Empfang" bereitet, sagte er der APA.

Nach dem Brexit-Votum und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten war der Sieg Van der Bellens bei der Bundespräsidentenwahl als politische Trendwende gewertet worden. Tatsächlich mussten Rechtspopulisten seitdem mehrere Niederlagen einstecken, etwa im Mai bei der französischen Präsidentenwahl, die der Pro-Europäer Emmanuel Macron deutlich für sich entschied.

Wenig überraschend absolvierte Van der Bellen seine erste Reise als "Hausbesuch", weil er die EU nicht als Ausland ansieht. Am 12. Februar machte er den EU-Spitzen in Brüssel die Aufwartung, tags darauf hielt er im Straßburger Europaparlament eine viel beachtete Rede. "Unser aller Zukunft ist direkt mit der zukünftigen Rolle Europas in der Welt verbunden", sagte er unter dem Beifall der Abgeordneten. "Es ist kein gutes Geschäft, wenn wir die Macht unserer großen europäischen Gemeinschaft gegen die viel kleinere Macht der vermeintlichen nationalen Souveränität eintauschen."

"Altvaterisches Geschwafel"

Van der Bellen zeigte sich im APA-Interview "selbst überrascht über die positive Aufnahme" der Rede. "Weil ich im Vorfeld besorgt war, ich trage zu viele Eulen nach Athen." Doch es habe sich gezeigt, dass man in der EU statt technischer Details "hin und wieder diese Mischung aus Gefühl, Emotion, Vision und Erinnerung an die einfachen Dinge" brauche. In dem anlässlich des 60. Jahrestags der Römischen Verträge Ende März geführten Gespräch gab sich der Präsident überzeugt, dass die Zukunft der europäischen Zusammenarbeit gehört. "Da vertraue ich auf die Jugend, die sich diesen Freiheitsraum nicht stehlen lassen will durch altvaterisches Geschwafel", sagte er mit Blick auf EU-skeptische Rechtspopulisten wie die Französin Marine Le Pen.

So ließ es sich Van der Bellen auch nicht nehmen, am 1. Juli zum EU-Trauerakt für den verstorbenen deutschen Altkanzler Helmut Kohl nach Straßburg zu reisen, bei dem die meisten EU-Staaten "nur" mit Regierungschefs vertreten waren. Der Bundespräsident traf dort nach Angaben seines Büros den neuen französischen Präsidenten Macron, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sowie den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu.

Kritik an nationalen Alleingängen

Die Zukunft Europas war bei allen Reisen des Bundespräsidenten zentrales Thema. Europa sei nicht das Problem, sondern die Lösung, betonte der Präsident laut seinem Büro gegenüber seinen Gesprächspartnern. Beim Dauerbrenner Flüchtlinge pochte Van der Bellen beständig auf europäische Lösungen, kritisierte nationale Alleingänge und die mangelnde Solidarität einzelner Staaten.

Das besonders von der Flüchtlingskrise betroffene Italien hat Van der Bellen bereits zwei Mal besucht. Anfang Mai war er zum Antrittsbesuch in Rom, einen Monat später bei einem Festakt anlässlich 25 Jahre Streitbeilegung zu Südtirol in Meran. Angesichts des wahlkampfbedingt wieder aufflammenden Konflikts um die Schließung der Brennergrenze bemühte sich Van der Bellen ähnlich wie sein Vorgänger Heinz Fischer, die Wogen zu glätten. Nach der Aufregung um die Entsendung von Panzern plädierte der Bundespräsident Anfang Juli im Tiroler Landtag dafür, die Situation "ohne Panik und mit Augenmaß" zu beobachten und forderte zugleich: "Es ist europäische Solidarität mit Italien einzufordern - nicht nur verbal und plakativ."

Positive Bilanz der "Antrittstour"

Nach Besuchen in der Schweiz, Deutschland, der Slowakei, Italien, Slowenien, Ungarn und Tschechien wartet nur noch Liechtenstein auf eine erste Visite des Bundespräsidenten. Diese sei "in Vorbereitung", heißt es aus der Hofburg. Gegenüber der APA zog Van der Bellen diese Woche eine positive Bilanz seiner Antrittstour. Dies gelte auch für Ungarn und Tschechien, wo es wegen der dortigen Rechtsregierungen zuvor "gewisse Bedenken" gegeben habe. "In beiden Ländern kann ich mich nicht nur über nichts beschweren, sondern es war ein geradezu herzlicher Empfang."

Van der Bellen schreibt dies auch der positiven Rolle zu, die österreichische Investoren in den Nachbarländern spielen. Weil er sich als "Türöffner für Österreichs Unternehmen im Ausland" versteht, nahm der Bundespräsident an vier Wirtschaftsforen im Ausland teil, wie die Präsidentschaftskanzlei berichtet. Ein wichtiges Anliegen war dem Universitätsprofessor auch die Wissenschaft. So diskutierte er in Slowenien und der Slowakei mit Studenten, besuchte die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) in Zürich und traf in Budapest Vertreter der Central European University (CEU) und anderer Universitäten zu einem Arbeitsfrühstück.

Vor allem das Treffen mit Mitarbeitern der CEU war durchaus heikel. Die Hochschule wird vom US-Milliardär George Soros finanziert. Der nationalkonservativen Regierung von Premier Viktor Orban ist sie ein Dorn im Auge. Ein umstrittenes neues Hochschulgesetz, das sich gegen mögliche Einflussnahme aus dem Ausland richtet, könnte ihr Aus bedeuten. Gegen Soros lief in Ungarn zuletzt eine mittlerweile gestoppte Plakatkampagne von Orbans Fidesz-Partei, weil er sich für eine liberalere Einwanderungspolitik einsetzt. Soros entstammt einer ungarisch-jüdischen Familie.

Feuertaufe mit Charles und Camilla

Van der Bellens Rolle als Gastgeber begann mit einer Feuertaufe: Seine ersten Staatsgäste waren im April der britische Thronfolger Prince Charles und seine Ehefrau Herzogin Camilla. Royale Besuche wie diese sind mit besonderem Protokoll verbunden, etwa einem Staatsbankett. Als Hausherr nahm sich Van der Bellen dabei die Freiheit, eine Krawatte zum vorgeschriebenen Smoking zu tragen. Mit dem britischen "Ökoprinzen" sprach der Präsident vor allem über den Klimaschutz, wie auch mit dem kalifornischen Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger, für dessen "Austrian World Summit" zum Klimaschutz er im Juni den Ehrenschutz übernahm.

Zu Gast in der Hofburg waren bisher die Präsidenten der Slowakei und Deutschlands, Andrej Kiska und Frank-Walter Steinmeier. In Salzburg richtete Van der Bellen am vergangenen Dienstag das jährliche Treffen der Staatsoberhäupter Österreichs, Sloweniens und Kroatiens aus, das vom heftigen Grenzstreit zwischen Ljubljana und Zagreb überschattet wurde. Van der Bellen versuchte den Konflikt zu entschärfen, indem er dem slowenischen Präsidenten Borut Pahor und der kroatischen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic die Vermittlerdienste Österreichs anbot. "Wir werden alles tun, um dieses Problem zu lösen", versprach er.

Ob die beiden jugoslawischen Ex-Republiken das Angebot annehmen, steht in den Sternen. Van der Bellen wird in seinem zweiten Halbjahr außenpolitisch etwas kürzer treten, muss er doch nach der Nationalratswahl im Oktober für eine neue Bundesregierung sorgen. Zuvor wird er noch am Treffen europäischer Staatsoberhäupter ("Arraiolos-Gruppe") in Malta sowie dem Jahrestreffen der Staatsoberhäupter der deutschsprachigen Länder in Luxemburg teilnehmen und zur UNO-Generalversammlung Ende September nach New York reisen.