Das Englisch ist tadellos, Ähnlichkeiten mit dem Vater sind erkennbar. Der wird im Westen als Schlächter und Diktator geächtet. Statt in Damaskus ist Hafez al-Assad ein paar Tage in Rio de Janeiro, ihm ist der Trubel fast peinlich. Er will nicht das Team überstrahlen, zumal er am schlechtesten gerechnet und Syrien dadurch in der Gesamtwertung nach unten, auf Platz 56, gezogen hat.

Schon am Eingang werden ihm Aufpasser zur Seite gestellt, Aufzüge dürfen nur von den 615 Teilnehmern der Mathematik-Olympiade benutzt werden. Kontrollen mit Scannern, auch Polizisten in Zivil sollen im Hotel Windsor Oceanico am Strand des Vororts Barra da Tijuca unterwegs sein. Nicht auszudenken, wenn bei der Mathe-Olympiade der Sohn von Syriens Präsident Baschar al-Assad angegriffen oder entführt würde.

Ein Sprecher sagt, der 15-jährige Hafez habe auch einen Bodyguard hier. "Der hat einen Schnauzer, der fällt gleich auf, er sieht nicht wie ein Mathematiker aus." Und tatsächlich, immer wieder huscht der Mann im Hotel herum. Ein paar Kilometer entfernt ist der Olympiapark.

Dort kämpfte vor fast einem Jahr, bei den Olympischen Spielen von Rio 2016, erstmals auch ein Flüchtlingsteam um olympische Ehren, es war wegen der Massenflucht durch den Krieg in Syrien ins Leben gerufen worden. Auch Brasilien wurde dank tausender Sondervisa der Regierung zum Zufluchtsland, auch wenn Samba und Caipirinha für Muslime eine ziemlich fremde Welt sind. Aber es war immer noch die bessere Alternative, als mit einem kleinen Boot im Mittelmeer unterzugehen. Diese Welt der Bomben, der Opfer, der auseinandergerissenen Familien ist hier im Strandhotel weit weg.

"Hier geht es nicht um Politik"

Assad hat drei Söhne, Hafez ist der älteste. Er lacht mit seinen Teamkameraden, hält Syriens Fahne hoch. In den letzten Tagen hat er auch die monumentale Christusstatue oberhalb der Stadt, den Cristo, besucht und war auf dem Zuckerhut. In seiner Nähe ist meist Generalkonsul Sami Salameh. Er betont: "Hier geht es nicht um Politik." Man könne über die Mathe-Olympiade reden. Hafez selbst will oder darf nicht mehr reden, immer wieder sagt er: "I am sorry".

Zuvor hatte er dem brasilianischen Portal "O Globo" ein freimütiges Interview gegeben, zufällig war sein Name auf der Teilnehmerliste aufgefallen. Seither ist in Medien vom "Diktatorsohn" die Rede, der in Rio rechnen und relaxen darf, während zu Hause gestorben wird.

Aber er war auch schon bei der Olympiade 2016 in Hongkong dabei, da wurde er 355. Dieses Mal löste er nur 14,17 Prozent aller Aufgaben und wurde 528. Richtig lag Hafez al-Assad dieses Mal nur bei einer Geometrieaufgabe.

Vorne auf Platz eins landete in Rio das Team aus Südkorea. Es war bereits die 58. Auflage dieses ältesten internationalen Wettbewerbs im wissenschaftlichen Bereich. In den Pausen werden mal eben 2000-teilige Puzzle zusammengesetzt oder Schach gespielt.

Im "Globo"-Interview hatte Hafez gesagt: "Damaskus ist ein bisschen wie Rio. Der Großteil der Stadt ist sicher, aber einige Gegenden nicht." Er sei normal aufgewachsen. "Meine Freunde sehen mich als ganz normale Person." Er hoffe bald auf ein Kriegsende - und folgt der offiziellen Regierungslinie. "Das ist ein Krieg gegen das Volk. Die Bevölkerung und die Regierung sind geeint gegen die Invasoren."

Sein Wunsch sei es, Ingenieur zu werden. Der Generalkonsul versucht Normalität zu verbreiten, die Teilnehmer kämen aus Damaskus, Aleppo und Homs. Nun Rio, das Meer, eine ganz andere Welt. Die Sechs sind auch so etwas wie die Zukunft des Landes, wenn es irgendwann einmal Frieden geben sollte. Viele kluge Köpfe sind gestorben oder geflohen.

400.000 Opfer im Bürgerkrieg

Im Syrienkrieg kamen nach UN-Schätzungen bisher mehr als 400.000 Menschen ums Leben. Er zählt damit zu den opferreichsten Konflikten seit 1945. Jeder zweite Syrer hat das Land verlassen oder ist als Binnenflüchtling an einen anderen Ort im Land geflohen. Allein die Nachbarländer Türkei, Libanon und Jordanien haben zusammen rund 4,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Die statistische Lebenserwartung der Syrer sank um zehn Jahre, bei Männern sogar um dreizehn Jahre.

Hafez al-Assad ist dagegen privilegiert, wirkt aber in der Tat bodenständig, freundlich. Und er glaubt an den Sieg seines Vaters. Eines kommt für ihn nicht infrage. Würde er Syrien verlassen? "Niemals".