Das Frauenvolksbegehren ist 20 Jahre alt. Warum fällt die Bilanz eines der erfolgreichsten Volksbegehren aller Zeiten so ernüchternd aus?
Eva Rossmann: Weil das männliche Beharrungsvermögen im Land stark ist. Die meisten Macht- und Geldpositionen sind weiterhin in Männerhand und die gehören nicht immer den selbstbewussten Männern, die kein Problem mit fähigen Frauen haben. Sie gehören der Gruppe der „Angstmännchen“, die Machtverlust fürchten. Dass sie kein Interesse an Gleichstellung haben, ist klar. Deshalb braucht es einen erneuten gesellschaftlichen Aufbruch, dem sich auch diese Männchen nicht entziehen können.

Wie verbreitet ist diese Gattung in der aktuellen Politik?
Wir befinden uns da sicherlich bei um die 30 Prozent.

Die Lohnschere klafft weiterhin auseinander, auch 20 Jahre Politik haben daran nichts geändert. Wie erklären Sie sich das?
Weil es bisher auch so gegangen ist. Es ist bequem, wenn Frauen weniger für ihre Arbeit bezahlt bekommen und auch die unbezahlte Arbeit leisten. Studien zeigen: Wenn Frauen in eine neue Berufssparte kommen, sinkt dort das Lohnniveau. Mit dem Argument, dass Frauen ja nicht für sich selbst sorgen müssen. Eine unglaubliche Entwicklung, und das im Jahr 2017.

Was müsste passieren, damit sich das ändert?
Das Thema Mindestlohn wäre wichtig, weil die Niedriglohnbranchen Frauenbranchen sind. Zudem müsste bezahlte Arbeit besser verteilt werden. Es gibt immer weniger dieser Arbeitsstunden, deshalb sollte man über eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung nachdenken. Und es braucht eine Offenlegung aller Gehälter und Löhne.

Über Geld, Religion und Politik spricht man in Österreich aber bekanntlich nicht. Halten Sie diese Forderung für realistisch?
Ich verstehe nicht, warum das geheim gehalten wird. Für das Finanzministerium sind wir ohnehin durchsichtig. Es geht hier um echte Vergleichbarkeit. Ich glaube schon, dass eine solche Forderung mehrheitsfähig ist.

Bis heute sind Frauen auf ihren Partner angewiesen, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht. Warum lässt die Politik sie damit allein?
Wenn Frauen eh alles brav erledigen, damit sie dann auch ein bisserl arbeiten dürfen, warum sollte man daran etwas ändern? Das geschieht nur, wenn klar wird, dass Kinder kein Frauen-, sondern Familienthema sind. Zudem braucht es dringend ganztägige Schulformen, damit Kinder gleiche Voraussetzungen für das Lernen haben. Man sieht also, dass Frauenpolitik in alle Bereiche hineinreicht.

Dennoch haben wir eine Frauenministerin, die auch Gesundheitsministerin ist. Ist Frauenpolitik ein Thema für nebenbei?
Auf keinen Fall. Es ist ein unglaublich facettenreiches und umfangreiches Feld, deshalb bräuchte es dafür dringend ein eigenes Ministerium.

Nach dem Sieg von Donald Trump in den USA hat überrascht, wie viele Frauen ihn gewählt haben. Und das trotz seiner mehrfachen verbalen Fouls ihnen gegenüber. Ist der amerikanische Feminismus tot?
Nein, im Gegenteil, er erwacht gerade wieder. In den USA sind viele qualifizierte Feministinnen vertreten, aber eben auch politisch uninteressierte Frauen, die Trump erreichen konnte. Aber dass ein Kandidat für das höchste Amt der Welt lautstark verkünden kann, dass er jeder Frau zwischen die Beine greifen kann - da kann man fast nicht glauben, dass er damit Erfolg hatte. Aber ich rechne mit einem Aufschwung für Amerikas Feminismus.

In Österreich zeigt sich ein anderes Phänomen. Mit Beginn der Flüchtlingskrise entdeckten Parteien wie die FPÖ ihr Herz für Frauenrechte und stellten sich schützend vor sie. Wie haben Sie diesen Wandel erlebt?
Das war amüsant zu beobachten, denn es war ja kein Wandel, sondern blanker Zynismus. Männer, die nicht einmal wollen, dass die Töchter in der Bundeshymne vorkommen, beharren plötzlich auf Gleichberechtigung. Das Gleiche passiert auch in der Debatte um das Kopftuch. Rechtskonservative, die sich nie für Frauenrechte interessiert haben, entscheiden, wer unterdrückt wird? Es geht darum, die betroffenen Frauen zu stärken, damit sie selbst entscheiden können, ob sie ein Kopftuch tragen oder nicht.

Welche Rolle soll heimische Frauenpolitik in Bezug auf weibliche Flüchtlinge übernehmen?
Hier halte ich das Entwickeln von neuen Formen der Gleichstellungen für spannend. Wichtig ist aber, dass wir dabei mit Vorzeigefrauen aus den Communitiys arbeiten, anstatt ihnen unsere Methoden aufzuzwingen. Es geht um Selbstermächtigung. Wir dürfen nicht den gleichen Fehler machen wie mit den türkischen Gastarbeitern damals. Wir sind zu sehr im eigenen Saft gestanden und haben diese Frauen nicht eingebunden. Dieser Fehler darf uns nicht noch einmal passieren.

Gibt es für Sie aktuell eine Partei im Land, die ausreichend Frauenpolitik betreibt?
Nein, es ist aber ein Nein mit Abstufungen. Am ehesten würde ich noch die Grünen nennen, dann die SPÖ. Und auch bei der ÖVP gibt es fähige Frauen. Dann sieht es schon düster aus.

Früher galten Feministinnen als Schlapfen tragende Emanzen, heute gibt es teure Marken-Shirts mit dem Aufdruck: „Wir sollten alle Feministinnen sein“. Hat der Feminismus sein Image-Problem gelöst oder nur abgeändert?
Das ist sehr interessant. Zu Beginn machten sich die Männer über Feministinnen lustig. Sie wurden als hässlich und frustriert bezeichnet. Heute sind auch Mainstream-Künstler und Frauen wie Ivanka Trump Feministinnen. Und das ist gut so, denn es gibt nicht den einen richtigen Feministinnen-Typ. Also: Willkommen im Klub!

Familie Trump: Der Vater ist Sexist, die Tochter Feministin
Familie Trump: Der Vater ist Sexist, die Tochter Feministin © AP

Vor 20 Jahren sprachen Sie elf Prozent der Wähler ohne soziale Medien und Internet an. Sind diese neuen Kanäle Fluch oder Segen für den erneuten Anlauf?
Segen. Volksbefragungen brauchen direkte Kanäle. Und es ist auch eine Chance für die Kanäle, die in Verruf geraten sind.

Frauen werden dort zunehmend bedroht, wenn sie sich politisch äußern.
Man muss aufzeigen, dass es hier strafrechtliche Grenzen gibt. Und das geht nur mit konsequentem Anzeigen. Bedroht wurde ich damals auch, das war aber mehr Aufwand. Mich hat das fast gerührt: Da macht sich jemand die Mühe, Buchstaben auszuschneiden und auf ein Blatt Papier zu kleben (lacht). Heute geht das einfacher.

Wie schätzen Sie die Chancen einer neuen Befragung ein?
Gut. Ich glaube, dass es heute ein viel breiteres Bewusstsein für die Gleichbehandlung von Mann und Frau gibt. Und damit kommt man auch leichter über die Angstmännchen hinweg.