Erschreckende Beispiele fördert der aktuelle Antisemitismusbericht zutage. Ein neunjähriges Kind wollte von einem Mitschüler wissen, ob er jüdischer Herkunft sei. Als dieser dies verleugnete, meinte er: „Gut so, denn sonst hätte ich dich getreten.“ Ein Student, der mit der israelischen Flagge an der Regenbogenparade teilnahm, wurde von bosnischen Hooligans, die gerade von einem Handballländermatch kamen, verprügelt. Orthodoxe Juden berichten regelmäßig von wüsten Beschimpfungen auf ihrem Weg in die Synagoge. Bei einer Feier im Soldatenheim trugen zwei Grundwehrdiener selbstangefertigte Hakenkreuze auf ihrer Uniform. Der Gewinner eines Amateurradrennens erhob in Mondsee bei der Siegerehrung den Arm zum Hitlergruß. Lang ist die Liste der Postings, Mails, Kommentare oder von Schmierereien auf U-Bahnen oder Hauswänden mit antisemitischen Postings.

503 antisemitische Vorfälle listet der vom Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch am Donnerstag präsentierte Bericht im vergangenen Jahr auf. „Wir befinden uns auf einem Allzeithoch“, so Deutsch. 2016 zählte man 477 Zwischenfälle, 2014 waren es nur 255, 2013 bloß 137. Aufgelistet werden nur Vorfälle, die dem Verein gegen Antisemitismus gemeldet werden. Der Anstieg dürfte auch mit der zunehmenden Bereitschaft der Betroffenen einhergehen, sich an die Stelle zu melden. Die Dunkelziffer bleibt dennoch hoch. Die allermeisten Zwischenfälle ereigneten sich in Wien. Dass im Vergleich zu Frankreich, Belgien und anderen Ländern in Österreich immer noch relativ wenig passiere, führt Deutsch auf die starke Präsenz von Polizei und eigenen Sicherheitskräften vor jüdischen Einrichtungen, Schulen, Synagogen zurück.

Nur zehn Prozent Moslems

Dass der auffällige Anstieg der Zwischenfälle auf die Flüchtlingskrise im Jahr 2015 zurückzuführen sei, scheint nicht durch Zahlen belegbar zu sein. Die überwiegende Mehrheit (62 Prozent) ist keiner Tätergruppe zuordenbar. In 24 Prozent stecken Rechtsextremisten, in zehn Prozent Moslems, in drei Prozent linke Täter dahinter. Deutsch führt den Anstieg auf die „zunehmende Enthemmung der Gesellschaft“ zurück. Früher sei man anonym bedroht worden, jetzt setze man sogar den Namen drunter.

Keinen Grund zur Entwarnung sieht der Chef der Kultusgemeinde im Umgang mit der FPÖ. Seit der Regierungsbeteiligung habe es 14 antisemitische Vorfälle im Dunstkreis der FPÖ gegeben. „Jede Woche ein Vorfall, das droht zur Normalität zu werden. Nur bei der FPÖ treten solche Dinge regelmäßig auf. Die FPÖ muss endlich eine normale Partei werden.“ Deutsch begrüßt zwar die Einsetzung einer Historiker-Kommission, hätte sich aber gewünscht, dass keine ehemaligen FPÖ-Politiker oder gar Burschenschafter der Kommission oder dem vorgeschalteten Gremium angehören. Auf die Frage, was er denn von der von der FPÖ regelmäßig ausgestoßenen Solidaritätsbekundungen gegenüber Israel halte, meint Deutsch: „Das ist alles für die Fisch.“