Die Länder sollen die Bundesregierung in ihrer Reformpolitik „nicht behindern, sondern ermuntern“: Das wünscht sich der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP). Nach den Landtagswahlen gebe es jetzt ein Zeitfenster für gestaltendes Handeln: „Sebastian Kurz ist für die nächsten ein, zwei Jahre auf dem Höhepunkt der Macht. Er steht vor den Mauern des Systems und wagt zu fragen, ob da was verkrustet ist“, skizziert der Steirer seine Sicht der Dinge.

Die ÖVP-Zuwächse bei den Landtagswahlen seien keineswegs nur der Landespolitik zu verdanken: „Sie tragen auch den Namen von Kurz. Deshalb haben die Länder eine Verpflichtung, mit ihm gemeinsam die Reformen zu tragen.“ Das habe man vorher so ausgemacht, ruft Schützenhöfer in Erinnerung. Denn „wenn die verbreitete Kurz-Euphorie einmal verblasst, dann hängen Wohl und Wehe der Regierung davon ab, ob sie etwas Greifbares vorweisen kann“.

Drei zentrale Vorhaben

Drei Vorhaben seien zentral: die Reform der Sozialversicherungen, der finanzielle Ausgleich für den Wegfall des Pflegeregresses und die Schaffung einer einheitlichen Mindestsicherung. Letztere sei „ein ganz schwieriges Thema“. Lasse man nämlich den Ländern zu viel Spielraum, „dann ändert sich gar nichts“.

Bei der Mindestsicherungs-Reform gehe es um die Frage: Was ist Arbeit im Vergleich zu einer Sozialleistung wert? Schützenhöfer bekennt sich zu einem härteren Modell. „Natürlich“ solle man unterscheiden zwischen den neu Hinzukommenden und jenen, die schon Jahrzehnte in das System einzahlen. Das müsse man „ohne falschen Zungenschlag, aber doch entschlossen“ diskutieren. Die zuletzt geübte Kritik der Caritas weist Schützenhöfer zurück: In der „warmen Stube der Gutmenschen-Debatte“ sähen manche Dinge eben anders aus als in der Realität.

Abschaffung des Pflegeregresses "ein Stumpfsinn"

Harsche Kritik übt der Landeshauptmann an der noch von der alten SPÖ/ÖVP-Regierung beschlossenen Abschaffung des Pflegeregresses: „Das ist und bleibt ein Stumpfsinn.“ Zugleich deutet er an, eine Lösung mit dem Bund sei bereits in Griffweite: „Das wird einvernehmlich mit den Ländern gelöst. Das kostet viel Geld, aber das müssen wir von der Tagesordnung bringen.“ Schützenhöfer fordert eine Versicherungspflicht in diesem Bereich.

Es gehe aber nicht nur ums Finanzielle: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht eine staatliche Rundumversorgung von der Wiege bis zur Bahre noch stärker einführen. Das ist ein fatales Signal.“ Nach der Kinderbetreuung mit einer Rekordzahl an Krippen und Kindergärten werde nun quasi auch die Altenpflege verstaatlicht: „Dadurch schleicht sich viel Beliebigkeit ein in die Gesellschaft.“

"Ich habe kein fertiges Modell"

Beim Thema Sozialversicherung betont Schützenhöfer: „Ich habe kein fertiges Modell, aber ich sehe Veränderungsbedarf.“ Bei Kammern und Sozialversicherungen habe sich „ein Staat im Staate“ gebildet. Die von der Regierung vom Zaun gebrochene Privilegiendebatte sei freilich „nicht nobelpreisverdächtig“ gewesen.

Vor der Wahl habe man die Zusammenlegung von 21 auf 5 Kassen ausgemacht: „Ob da die AUVA dabei ist, ist noch nirgendwo besprochen und endgültig entschieden.“ Kanzler und Vizekanzler müssten hier „Flagge zeigen“, dann kämen auch die Länder mit ins Boot.

Unmut äußert der Steirer darüber, dass die Länder in der Reformdebatte als Bremser dargestellt würden: „Das magerlt uns ziemlich. Die Länder sind näher bei den Menschen, sie gibt es schon länger als den Bund. Und sie machen nur 24 Prozent der Schulden, während der Bund 76 Prozent verantwortet.“ Seinen LH-Kollegen stellt Schützenhöfer gute Zeugnisse aus. In Vorarlberg etwa schlage sich Markus Wallner gut, in Salzburg sei Wilfried Haslauer „eine ganz gute Stütze“ für Kanzler Kurz. Nachsatz: „Ich hoffe, sie wissen es beide voneinander.“

Bei Wahlen entscheidet die Wahrnehmung

Mit der bisherigen Leistung der Regierung ist der Steirer offenbar nicht uneingeschränkt zufrieden. Er formuliert es so: „Die Regierung ist in der allgemeinen Wahrnehmung gut auf Kurs. Ob das auch den Fakten standhält, will ich jetzt gar nicht untersuchen.“ Letztlich entscheide aber bei Wahlen sowieso die Wahrnehmung.

Die Regierungsbeteiligung der FPÖ solle „zu einer Normalität“ werden, wünscht sich Schützenhöfer. Diverse Affären würden das freilich erschweren. Zuletzt etwa das Treffen mit der Rechtsaußen-Partei Front National in Nizza: „Solche Ausreißer fördern die Sache nicht.“ Kritisch sieht Schützenhöfer auch die Debatte um den ORF. Dort müsse sich zwar was ändern, die Berichterstattung sei parteiisch. Aber die Attacken von Heinz-Christian Strache und Norbert Steger hätten das vereitelt: „Die Debatte ist durch bestimmte Äußerungen sehr in Mitleidenschaft gezogen worden.“ Nun werde ein Eingreifen „sehr viel schwerer“.

Jedoch dürfe die ÖVP ihren Regierungspartner FPÖ „nicht desavouieren und auch nicht durch andere Ebenen attackieren lassen“. Immerhin regiere im Burgenland auch die SPÖ mit der FPÖ. Schützenhöfer: „Der Hans Niessl lacht sich schief, weil er dort quasi alleine regiert. So wie der Peter Kaiser in Kärnten mit den Unsrigen.“

Das Gespräch führten die
Chefredakteure der
Bundesländer-Zeitungen.