Die derzeit laufende Sondersitzung des Nationalrats zur BVT-Affäre ist von heftigen Attacken geprägt. Die Liste Pilz hat gegen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) eine Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit der BVT-Affäre eingebracht. Klubobmann Peter Kolba veröffentlichte am Montag via Twitter das Deckblatt der Anzeige. Der "Standard" berichtete unterdessen von "chaotischen Situationen" bei der Hausdurchsuchung im BVT.

Kolba postete das Foto der Sachverhaltsdarstellung am Montagnachmittag. Dazu schrieb er die Anmerkung: "Es gilt die Unschuldsvermutung." Nähere Details zum Inhalt der Anzeige waren vorerst auf Nachfrage nicht zu erhalten.

Der "Standard" zitierte am Nachmittag in seiner Online-Ausgabe unterdessen aus dem Protokoll der Hausdurchsuchung im Büro des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sowie in Privatwohnungen von verdächtigen Mitarbeitern. Diese Durchsuchungen dürften demnach nicht so reibungslos wie geplant funktioniert haben, schreibt die Zeitung. Im Protokoll, das laut "Standard" auch dem "profil" vorliegt, sei an mehreren Stellen von einer "chaotischen Situation" die Rede. Offenbar hatte die Staatsanwaltschaft durch Zeugenaussagen oder jene 39 Seiten an anonymen Anzeigen zum Teil falsche Informationen erhalten, so der "Standard".

ÖVP versucht SPÖ hineinzuziehen

Während sich die anderen Oppositionsparteien der SPÖ-Kritik an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) anschlossen, versuchte die Koalition den Gegenangriff. FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz würde sich sogar über einen U-Ausschuss in der Causa freuen, könnte sich die SPÖ doch dort "bis auf die Knochen blamieren". ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon wiederum versuchte der Affäre einen neuen Spin zu geben.

Konkret wollte er den "SPÖ-Parteianwalt" Gabriel Lansky zur zentralen Figur der Causa machen. Der Hintergrund: Lansky hatte Anzeige erstattet, weil Daten aus einem Verfahren gegen ihn widerrechtlich vom BVT nicht gelöscht worden waren. Amon fragt sich nun, was sich in den Daten befinde, das für die SPÖ so heikel sei.

Misstrauensantrag abgelehnt

Einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der von der Opposition in den kommenden Tagen beantragt werden dürfte, sieht Amon eher skeptisch. Es tue zwar "in jeder Hinsicht" Aufklärung not. Vielleicht gebe es aber andere Möglichkeiten die Angelegenheit sinnvoll zu untersuchen.

Causa BVT: Dringliche Anfrage an Innenminister Kickl im Parlament

Erwartungsgemäß keine Mehrheit hat Montagnachmittag zum Abschluss der Sondersitzung des Nationalrats zur BVT-Affäre ein Misstrauensantrag gegen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) gefunden. Das entsprechende Begehren der Liste Pilz wurde mit Koalitionsmehrheit abgeschmettert. SPÖ und NEOS stimmten hingegen für Kickls Abberufung.

SPÖ attackiert Kickl scharf

SPÖ-Chef Christian Kern sieht in der Affäre "ein politisches Spiel auf dem Rücken der Polizisten" und weist die volle Verantwortung dem FPÖ-Innenminister Herbert Kickl zu. Es gebe "Fragwürdigkeiten sonder Zahl" in der Causa.

"Sie haben eine Vorgehensweise gewählt, die dazu geführt hat, dass das BVT regelrecht lahmgelegt wurde", so Kern an Kickl. "Nach jedem Auftritt gab es hinterher mehr Fragen als vorher, es wurde kein Beitrag zur Aufklärung geleistet."

Das Vorgehen des Ministeriums habe darauf abgezielt, "maximales Aufsehen und maximale Einschüchterung" zu erzeugen. Man erlebe "ein Pingpong-Spiel zwischen Justiz- und Innenministerium". Vorrangiger Vorwurf an Kickl sei nicht eine politische Umfärbung, sondern eine "nachhaltige Beschädigung" des Sicherheitsapparats.

Kickl repliziert heftig

Kickl antwortete mit heftigen Gegenvorwürfen an die Adresse von Kern: "Sie betreiben ein linkes Spiel!" Die BVT-Vorgänge seien ein rechtsstaatlich einwandfreies Verfahren. Kickl: „Herr Kern, was haben Sie damit für ein Problem?“ Die Kritiker würden Kraut und Rüben vermischen. „Wenn das ein ehemaliger Bundeskanzler tut, dann ist das beschämend.“

Kerns Attacke sei nichts anderes als der Versuch, pflichtbewusste Beamte von ihrer Arbeit abzuhalten. Kickl weiter zu Kern: "Sie diskriminieren und verunglimpfen einen rechtsstaatlichen Vorgang. Diese Skandalisierung eines gesetzesmäßigen Vorgangs im Kampf gegen die Korruption – das ist der eigentlcihe Skandal. Aber mich werden Sie nicht mundtot machen. Ich führe mein Ministerium gesetzeskonform und nicht so, wie Sie es vielleicht als Bundeskanzler getrieben haben." Ob es Kern passe oder nicht: "Die Sicherheit in Österreich ist nicht gefährdet, nur weil fünf Beamte einer Straftat verdächtig sind."

Aus der Anfragebeantwortung selbst ergaben sich dann wenig Neuigkeiten. Er habe Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am 28. Februar am Rande des Ministerrats informiert, führte Kickl aus. Zurzeit seien drei Beamte suspendiert, ein Vertragsbediensteter sei freigestellt worden. Die Einsatzgruppe EGS sei aufgrund der "Frage der Unbefangenheit" zum Einsatz gekommen, und zwar in Zivilkleidung und in Standardausrüstung mit Dienstpistole. Dass die Datenauswertung ausschließlich durch IT-Experten der Staatsanwaltschaft erfolgt sei, könne er bestätigen. Die Begleitung von Zeugen durch einen Mitarbeiter des Ministeriums sei auf deren ausdrücklichen Wunsch geschehen. Er, Kickl, habe davon vorab nichts gewusst.

FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz überzog die SPÖ mit Spott: "Die angebliche Affäre ist ein Stürmchen im Wasserglas. Was anderes bringen Sie als Opposition nicht zusammen. Ich wäre froh über den von Ihnen beantragten Untersuchungsausschuss, weil ich möchte jede Gelegenheit nützen, damit sich die SPÖ wieder bis auf die Knochen blamieren kann."

Seitens der Liste Pilz brachte Klubchef Peter Kolba einen Misstrauensantrag gegen Kickl ein. Gleich drei Gründe gebe es, warum Kickl als nicht geeignet für die Ausübung seines Amtes erscheine, heißt es in der Begründung.

Kickl übe sein Amt nicht im öffentlichen, sondern im Parteiinteresse aus, lautet der erste Vorwurf. Die Liste Pilz äußert hier den Verdacht, dass die Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) dazu gedient haben könnte, den Wissensstand des BVT über Aktivitäten Kickls im rechtsextremen Spektrum herauszufinden.

Die amateurhafte Durchführung gefährde zudem die objektive Sicherheitslage, besonders hinsichtlich der kommenden EU-Ratspräsidentschaft Österreichs. Außerdem bestehe der Verdacht des Amtsmissbrauchs wegen der zurückgehaltenen Bestellungsurkunde für BVT-Chef Peter Gridling.

Der Nationale Sicherheitsrat tritt später um 17.30 Uhr zusammen, um über die Affäre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zu beraten. Die Sitzung im Bundeskanzleramt wurde auf Wunsch der NEOS einberufen. "Mit der Sitzung können wir einen wichtigen Schritt zur Klärung der Causa BVT setzen", erklärte NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper. "Hier werden sich erstmals der Kanzler, der Innen- und der Justizminister insbesondere zur Aufklärung des Vorwurfs eines parteipolitischen Machtmissbrauchs erklären müssen."

Der Nationale Sicherheitsrat ist ein vertrauliches Beratungsgremium der Regierung in Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Vertreten sind dort neben den zuständigen Regierungsmitgliedern auch Vertreter aller im Hauptausschuss des Nationalrats vertretenen Parteien.

"Bisher Desinformation"

SPÖ-Chef Kern sagte im Ö1-Morgenjournal, Kickl habe in der BVT-Affäre bisher "Desinformation" betrieben. Nun habe er Gelegenheit, alles aufzuklären. Andernfalls befürworte die SPÖ einen Untersuchungsausschuss: "Wenn er das nicht nützt, werden wir morgen darüber entscheiden."