Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung warnt Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk davor, die Aufhebung der niederösterreichischen Regelung für die Mindestsicherung per Verfassungsgesetz zu korrigieren.

Wie berichtet, hob der Verfassungsgerichtshof die Kürzung der Mindestsicherung durch Deckelung und Wartezeit auf - gezielt hatte diese Kürzung vor allem auf Asylberechtigte.

Funk: "Personen, die Schutzstatus haben, also Asylberechtigte, haben gemäß der europäischen Grundrechtscharta dieselben Ansprüche auf Sozialleistungen wie österreichische Staatsbürger." Diese Leistungen nach dem Veto des Höchstgerichts im Wege einer Verfassungsbestimmung zu kürzen, wie dies die FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus bereits in den Raum gestellt hat, wäre laut Funk EU-rechtswidrig.

"Rückfall in alte Sitten"

Und es wäre ein Rückfall in alte Sitten, als sogar die Gewerbeordnung für Taxifahrer in Verfassungsrang erhoben wurde. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Oppositionspartei, etwa die Neos, dem zustimmen würde, dass ein unliebsamer Richterspruch einfach ausgehebelt wird." Die Stimmen der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ im Parlament reichen für eine Verfassungsmehrheit nicht aus.

Darüber hinaus gebe es, so Funk, aber auch eine Leitentscheidung des VfGH, wonach in Grundrechtsfragen eine Verfassungsmehrheit im Parlament gar nicht ausreichend sei für eine entsprechende Bestimmung. In diesem Fall müsse das Gesetz zusätzlich einer Volksabstimmung unterzogen werden.

Einen Teil die Ansprüche in Sachleistungen abzugelten, wie dies in Vorarlberg und in der Steiermark gesetzlich verankert wurde, sei hingegen zulässig. Das sei auch schon vom Höchstgericht bestätigt.

"Kompetenzen überschritten"

In der Affäre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorabwehr (BVT) steht für Funk außer Frage, dass Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) bzw. sein Generalsekretär Peter Goldgruber ihre Kompetenzen überschritten hätten, indem sie die von Bundespräsident Alexander Van der Bellen bestätigte Ernennungsurkunde nicht an BVT-Leiter Peter Gridling übermittelten und damit seine Bestellung bis heute verzögerten. Es gehe nur mehr "quasi um den Postweg".

Gridlings Wiederbestellung war noch von Kickl-Vorgänger Wolfgang Sobotka beantragt worden. Funk findet deutliche Worte: "Selbstjustiz geht gar nicht, hier selbst Maßnahmen zu treffen, nur weil angeblich ein Verdacht vorliegt."

Gibt es ein Rechtsmittel dagegen? Gridling könnte beantragen, dass ihm die Bestellungsurkunde ausgehändigt wird. "Einen ablehnenden Bescheid könnte er dann bekämpfen."

"Es ist die Frage, wie sich die ÖVP verhält"

Aber Absicht sei ja wohl, ihn zu vergraulen, Gridling dazu zu drängen,  selbst aufzugeben, "ihn dazu zu bringen, dass er das Handtuch wirft". Politisch sei ein Mißtrauensantrag im Parlament gegen Kickl denkbar. "Da ist natürlich die Frage, wie sich der Regierungspartner verhält, da geht es ja um einen, der der ÖVP zugerechnet wird."

Insgesamt gehe es einem Verfassungsrechtler nicht gut angesichts der jüngsten Aktionen der Regierung, sagt Funk. Als die FPÖ noch in Opposition war, habe sie vieles kritisiert, parteipolitische Postenbesetzungen etwa, wo sie jetzt genauso handle und die Gangart sogar noch verschärft werde. "Das ist für mich sehr überraschend."

ÖVP hält sich bedeckt

In der ZIB 2 im ORF zeigte sich am Montag abend Werner Amon (ÖVP), der den ständigen Unterausschuss für die Kontrolle der Nachrichtendienste leitet, bedeckt. Der Bericht von Justizminister Josef Moser sei abzuwarten, der Ausschuss werde sich direkt von Innen- und Justizminister informieren lassen. "Erst dann gibt es ein endgültiges Urteil."

Die Vorwürfe gegen Gridling sind für Amon aber weit überzogen: "Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat sehr gut gearbeitet in den vergangenen Jahren."Die Vorwürfe lägen außerdem Jahre zurück. "Es stellt sich schon die Frage, warum plötzlich Hausdurchsuchungen notwendig waren und offene Fragen nicht auf dem Dienstweg geklärt werden konnten."