Sie waren ewig Oppositionschef, jetzt sind Sie Vizekanzler. Wie erleben Sie den Rollenwechsel?

HEINZ-CHRISTIAN STRACHE: Wir haben 13 Jahre lang im Parlament Anträge eingebracht, die von Rot und Schwarz kontinuierlich abgelehnt wurden. Jetzt können wir endlich die Vorhaben umsetzen. Wir haben leider nicht die absolute Mehrheit, aber wir haben in das Regierungsprogramm deutlich über 50 Prozent wesentliche freiheitliche Positionen hineinverhandelt. Ich denke an die über 4000 neuen Planstellen bei der Polizei, Deutsch vor Schuleintritt, die Mindestpension von 1200 Euro. Der zweite wesentliche Bereich ist die Entlastung der arbeitenden Menschen, da sind wir 13 Jahre gegen rot-schwarze Wände gelaufen. Wir haben noch vieles vor, die Senkung der Lohnnebenkosten, der Körperschaftssteuer, Reformen bei ORF und Kammern.

Was ist der Unterschied zwischen Opposition und Koalition?

STRACHE: Dass man endlich Verbesserungen in vielen Bereichen umsetzen kann, welche jahrelang von Rot-Schwarz blockiert wurden.

Wie unrund ist der Wechsel aus Ihrer Sicht verlaufen?

STRACHE: Wenn Ministerien bezogen werden, die leer geräumt sind, braucht es einige Wochen, um die Strukturen sicherzustellen. Auch die Mitarbeiter brauchen Zeit, um sich einzuspielen. So ist es eben mit neuen Wegen, da braucht jeder seine Zeit.

In der Opposition konnten Sie Maximales fordern, jetzt müssen Sie Kompromisse schließen. Laufen Sie nicht Gefahr, einen Teil Ihrer Anhänger zu enttäuschen?

STRACHE: Im Gegenteil, die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hat erkannt, dass jetzt stetig an den wesentlichen Schrauben im positiven Sinn gedreht wird. Wir können nicht die Fehler von Rot und Schwarz in wenigen Wochen korrigieren.

Sie haben früher immer die Umfärbungspolitik angeprangert. Jetzt macht die FPÖ genau dasselbe, siehe ÖBB, Asfinag, BVT.

STRACHE: Jahrelang sind Strukturen einseitig eingefärbt worden. Es ist gut, dass da oder dort frische Luft hineinkommt. Weil Sie das BVT genannt haben: Das ist ausschließlich eine Angelegenheit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Die jahrelangen Vorwürfe gegen das BVT sind sehr ernst zu nehmen. Ich kann nur sagen: Dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft tätig geworden ist, zeigt nur, dass es Handlungsbedarf gegeben hat.

Die Umfärbungen bei den ÖBB oder bei der Asfinag erschüttern doch Ihre Glaubwürdigkeit?

STRACHE: Nein. Das findet in einer großen Ausgewogenheit statt und ist keine – wie Sie es nennen – Umfärbung. Dass der Minister Experten einsetzt, denen er vertraut, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Da geht es um eine gute, breite und fachliche Aufstellung – auch im Sinne einer demokratischen Breite.

Kommt nicht die Installierung der Generalsekretäre einer Politisierung der Ministerien gleich?

STRACHE: Jedem  Minister steht es zu, Persönlichkeiten in sein Kabinett zu holen, denen er vertraut. Von einer herbeigeredeten Umfärbung kann keine Rede sein.

Ist Ihr stures Festhalten beim Rauchverbot nicht ein Fehler?

STRACHE: Im Gegenteil. Es handelt sich um ein Wahlversprechen. Es geht um Eigenverantwortung, Selbstbestimmung, um die freie Wahlentscheidung, sowohl für den Gast als auch für den Gastronomen. Der Gastronom soll selbst entscheiden, ob das Lokal ein Nichtraucherlokal ist. Auch der Gast hat die freie Wahl. Niemand wird zum Passivrauchen gezwungen. Wir nehmen den Bürger sehr ernst und sorgen dafür, dass das Gesetz bestehen bleibt mit einem zusätzlichen Jugendschutz.

Wie viele müssen unterschreiben, damit das Volk befragt wird?

STRACHE: Schauen wir einmal, was am Ende herauskommt. Dann nehmen wir eine Bewertung vor. Ich habe überhaupt kein Problem mit verbindlichen Volksbefragungen und -abstimmungen. Das haben ja wir im Regierungsprogramm verankert.

Wenn eine Million Menschen das Volksbegehren unterschreiben: Darf das Volk entscheiden oder wird die Sache schubladisiert?

STRACHE: Für mich muss das Volk immer der Sieger sein und damit die direkte Demokratie. Es gibt übrigens Umfragen, wonach 70 Prozent der Raucher und über 55 Prozent der Nichtraucher die Wahlfreiheit befürworten.

Die FPÖ hat oft angeprangert, dass die Politik auf den ORF Einfluss nimmt. Jetzt wollen Sie den ORF an die Leine nehmen?

STRACHE: Das ist an den Haaren herbeigezogen. Wir treten für einen öffentlich-rechtlichen Sender ein, der objektiv und parteiunabhängig agiert. Das ist die Verantwortung der Regierung. In Tirol hat man in einer manipulativen Art und Weise versucht, den dortigen FPÖ-Spitzenkandidaten politisch und persönlich zu zerstören.

Sie orten eine ideologische Schlagseite?

STRACHE: Nicht generell, es gibt überall exzellente Journalisten. Es ist aber Realität, dass bei Personalvertretungswahlen im ORF 80 Prozent Rot oder Grün wählen. Das entspricht nicht dem Querschnitt der Bevölkerung.

Sie wollen den Kurs ändern?

STRACHE: Wir wollen einen Sender, wo sichergestellt ist, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag erfüllt und vom Aufsichtsrat umgesetzt wird. Die Details werden wir bei einer Medien-Enquete diskutieren. Da gibt es viel Kritik, etwa die vielen US-Serien auf ORF 1. Die ORF-Zwangsgebühren halten wir für völlig anachronistisch. Da können wir mit der Abschaffung der ORF-Zwangsgebühren den Bürger direkt entlasten.

Glauben Sie, dass die ÖVP bei der Abschaffung mitgeht?

STRACHE: Es muss auf alle Fälle eine Bewegung stattfinden, und zwar in die richtige Richtung. In der Schweiz wollte man den öffentlich-rechtlichen Sender privatisieren, das wurde zu Recht vom Volk abgelehnt. Der Schweizer Rundfunk hat aber erkannt, dass es Reformbedarf gibt.

Wenn die Gebühren abgeschafft werden, muss der Staat finanziell in die Bresche springen. Konterkariert das nicht das Vorhaben in Richtung Nulldefizit?

STRACHE: Wir haben im Regierungsprogramm verankert, dass der Staat sparsam und effizient mit den Steuergeldern umgeht und gleichzeitig die Bevölkerung entlastet wird. Beim ORF braucht es einen Aufsichtsrat, der Effizienz und Umsetzung des öffentlich-rechtlichen Auftrags sicherstellt.

Warum wird die FPÖ stets von den dunklen Seiten unserer Vergangenheit eingeholt? Wozu eine Historiker-Kommission, wenn alles beim Alten bleibt?

STRACHE: Die Historiker-Kommission ist nicht nur wegen der historischen Aufarbeitung wichtig. Entscheidend ist, dass endlich mit diesen pauschalen Diffamierungen aufgeräumt wird. Die Behauptung, dass die FPÖ eine Nachfolgepartei der NSDAP ist, ist ungeheuerlich und nachweislich falsch. Die Kommission wird feststellen, dass die Masse der ehemaligen Nationalsozialisten bei der SPÖ und der ÖVP Mitglied geworden ist und dort Karriere gemacht hat. Was unsere Position zum Antisemitismus und Totalitarismus betrifft, haben wir seit 13 Jahren eine klare Position. Das hat bei uns nichts verloren.

Warum tauchen dann Liederbücher im Dunstkreis der FPÖ auf?

STRACHE: Es tauchen keine Liederbücher bei der FPÖ auf.

Braucht es nicht einen Verhaltenskodex?

STRACHE: Wir haben einen Verhaltenskodex. Wir haben ein klares Bekenntnis, ein rot-weiß-rotes Bekenntnis. Da sollte man nicht permanent Unterstellungen zum Besten geben.

Es jährt sich zum 80. Mal der „Anschluss“. Vor zehn Jahren hat sich die FPÖ bei der Gedenkveranstaltung nicht zu Wort gemeldet. Sind Sie morgen dabei?

STRACHE: Ich weiß nicht, was Sie in Erinnerung haben. Wir haben seit Jahren an Gedenkveranstaltungen teilgenommen und uns auch inhaltlich klar geäußert.

Wird sich die FPÖ äußern?

STRACHE: Ich sage es nochmals! Die freiheitliche Partei hat laufend zu diesem und anderen geschichtsträchtigen Themen klare Erklärungen und Positionierungen abgegeben.