Die Affäre um die Pennäler-Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, deren Liederbuch NS-verherrlichende Texte enthält, schlägt hohe Wellen. Nachdem die Staatsanwaltschaft vergangene Woche Ermittlungen gegen vier Personen wegen des Verdachts der NS-Wiederbetätigung eingeleitet hatte, will die Regierung nun den Verein auflösen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat mit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vereinbart, dass ein Auflösungsverfahren gegen die Germania eingeleitet wird, verkündete Kurz am Mittwoch vor dem Ministerrat.

Ins Rollen gekommen war der Skandal im Wahlkampf für die niederösterreichische Landtagswahl, denn FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer war Vizeobmann der Burschenschaft. Nach Bekanntwerden der NS-Liederzeilen legte er seine Mitgliedschaft bei der Mittelschüler-Verbindung ruhend.

Landbauer war einer von 70 Mitgliedern. Bis vor kurzem gehörte die Germania zum Österreichischen Pennälerring (ÖPR), dem Dachverband von Schülerverbindungen. Im Zuge der Lied-Affäre wurde die Germania vom ÖPR zunächst suspendiert und mittlerweile auch ausgeschlossen.

Das Liederbuch

Das Liederbuch der Verbindung, 1997 in 3. Auflage neu aufgelegt, beinhaltet auf circa 300 Seiten 500 bis 600 Lieder. Eines davon enthält in Anspielung auf die Vergasung von sechs Millionen Juden unter der Nazi-Diktatur während des Zweiten Weltkriegs folgende Zeilen: "Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million'" und weiter "Da schritt in ihre Mitte ein schlitzäugiger Chines': ,Auch wir sind Indogermanen und wollen zur Waffen-SS.'"

Diese und andere Zeilen sollen schon vor Jahren geschwärzt worden. Ob das stimmt, wird derzeit von den Behörden geprüft. Die Polizei hatte bei einer Hausdurchsuchung auf der Bude der Germania 19 Liederbücher und zwei Ordner mit Unterlagen sichergestellt. Gegen vier Personen, die für das Buch verantwortlich zeichnen, wird ermittelt. Einer davon hat die Lieder zusammengestellt, ein anderer Illustrationen dazu gemacht. Letzterer war ein hoher Beamter und SPÖ-Mitglied in Wiener Neustadt.

Der Stammtisch

Gegründet worden ist die Germania 1917 am Ende des Ersten Weltkrieges aus einem Stammtisch heraus. Das 100-jährige Bestehen wurde letztes Jahr im Rahmen eines Burschentreffens des Pennälerrings groß gefeiert. Der Leitspruch der Verbindung lautet "Deutsch und treu in Not und Tod". Viele der Mitglieder kommen aus dem Militärgymnasium in Wiener Neustadt, so auch Landbauer. Das Militärgymnasium sollte eigentlich mit Ende des heurigen Schuljahres geschlossen werden. Der neue Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) machte dies aber bei der ersten Regierungsklausur von ÖVP und FPÖ Anfang Jänner rückgängig.

Auf ihrer Homepage, die länger offline war, bezeichnet die Burschenschaft ihren NS-verherrlichenden Liedertext als "widerlich, abartig und jenseitig". Die Bude der Germania ist im Rabenturm in Wiener Neustadt. In dem Verein wird wie bei Mittelschüler-Verbindung üblich mit stumpfen Säbeln gefochten. Eine befreundete Burschenschaft (ein Kartell) hat die Germania nicht. Ihre Farben sind Blau/Rot/Gold.