Die Entscheidung über die Häupl-Nachfolge fällt in einer Kampfabstimmung. Das ist ungewöhnlich für eine Bewegung, die es sich zum Prinzip gemacht hat, Probleme intern zu lösen und nach außen Geschlossenheit zu zeigen?

Michael Ludwig: Es ist ein ungewöhnlicher Weg, ich würde nicht von zwei Lagern reden. Wir unterscheiden uns inhaltlich, aber auch in unseren Lebensläufen. Schieder ist stärker in der Bundespolitik verankert, ich in der Kommunalpolitik.

Die Schieder-Leute behaupten anhand von Listen, dass sie die Mehrheit der Delegierten haben.

Nein, das stimmt nicht, das sind Fantasiezahlen.

Sie sind zuversichtlich, dass Sie das Rennen machen?

Ja.

Was sind Ihre Schwerpunkte?

Ich sehe zwei Pole. Wir müssen die Entwicklung in Richtung Modernität, Internationalität vorantreiben. Ich strebe als Bürgermeister aber auch eine Schutzfunktion für die hier lebende Bevölkerung an.

Was meinen Sie damit?

Ich habe als Stadtrat bei der Vergabe der geförderten Wohnungen einen Wien-Bonus eingeführt. Niemand soll ausgeschlossen werden, aber jene Menschen, die hier länger leben, sollen gezielt bevorzugt werden. Der Wien-Bonus sieht vor, dass jene, die fünf Jahre hier leben, auf der Warteliste um drei Monate vorgerückt werden, bei fünfzehn Jahren sind es neun Monate. Wer hier geboren wurde und vor längerer Zeit zugewandert ist, soll sich nicht ständig einer neuen Konkurrenz stellen. Es ist wie im Supermarkt. Wenn man sich in der Schlange hinten anstellt, ahnt man, wann man zur Kassa kommt, weil sich niemand hineindrängt. So stelle ich mir das Ordnungsprinzip vor.

In welchen Bereichen schwebt Ihnen so ein Bonus noch vor?

Beim Zugang zu vielen Einrichtungen des Sozialsystems.

Gilt das auch für die Flüchtlingspolitik? Soll der Kurs verschärft werden?

Ich bin weder für einen schärferen noch für einen nachsichtigeren, sondern für einen vernünftigen Kurs. Was mich bei der Forderung der FPÖ nach Großquartieren erstaunt hat, war der Umstand, dass gerade die FPÖ Proteste gegen solche Großquartiere organisiert hat.

Besteht Handlungsbedarf in dieser Flüchtlingspolitik?

Absolut, aber nicht nur in Österreich, in der gesamten EU. Nachträglich ist man immer schlauer. Die Flüchtlingskrise hat zu einem Vertrauensverlust in die Politik geführt. Manche haben den Eindruck gewonnen, dass Grenzen keine Grenzen mehr sind und vieles von der Politik nicht mehr gestaltet wird. Es muss das Vertrauen in die Entscheidungskompetenz der Politik wiederhergestellt werden. Wenn das nicht zu gewährleisten ist, öffnet man Rechtspopulisten Tür und Tor.

Ihr Konkurrent Schieder benutzt die Regierung gern als Feindbild. Wie sehen Sie das?

Der Wiener Bürgermeister hat die Interessen der Wiener Bevölkerung zu vertreten, unabhängig von der parteipolitischen Konstellation der Regierung. Ich werde die Stimme erheben, wenn Maßnahmen finanziell zulasten der Stadt gehen, wie bei der Notstandshilfe, dem Pflegeregress. Kritisch sehe ich die Ausweitung der Mangelberufe oder das Aus bei Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer.

2020 wird in Wien gewählt. Ist die FPÖ ein Koalitionspartner?

Die jetzige Politik, die die FPÖ macht, zeigt, dass es wenige Schnittmengen gibt. Das wird 2020 nicht anders sein.

Machen Sie dann weiter mit den Grünen?

Man wird sehen, wie sich die ÖVP positioniert. Es gibt auch Indizien dafür, dass ÖVP und FPÖ ihre Koalition auf die Länder ausweiten wollen.

Die jetzige Koalition mit den Grünen wollen Sie fortsetzen?

Ich bin als ein sehr pakttreuer Mensch bekannt. Vielleicht künden die Grünen die Koalition auf, ich werde es bestimmt nicht tun.